Fatih Cevikkollu: „Du gehst auf die Bühne mit nichts – und alle lachen!“
Als Kabarettist in Deutschland mit türkischem Immigrationshintergrund hat Fatih Cevikkollu seine ganz eigene Art von Humor entwickelt, mit gewissen Problemen umzugehen. Die Themen für seine Programme werden ihm wohl niemals ausgehen
Schon bevor Fatih Cevikkollu Kabarettist war, zog es ihn zu kabarettistischen Vorstellungen. Damals saß er jedoch noch im Publikum und bekam jedes Mal feuchte Hände, wenn der Moderator den nächsten Künstler ansagte. Mit großen Augen verfolgte er genauestens das Geschehen. Dort oben wollte er auch eines Tages stehen.
Heute ist Fatih Cevikkollu selber Kabarettist. Geboren und aufgewachsen ist er in Köln-Nippes. Hier fühlt er sich zu Hause. Die Domstadt dauerhaft zu verlassen, kann er sich nur schwerlich vorstellen – höchstens um wiederzukommen. In Nippes wohnt Cevikkollu immer noch. Zusammen mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter. Wenn er in eine andere Stadt ziehen müsste, dann am ehesten nach Istanbul. „Die Stadt ist so ungeheuer pulsierend und abwechslungsreich. Man merkt, dass hier Orient und Okzident zusammenfließen. Die Straßen sind niemals leer“, weiß Cevikkollu aus eigener Erfahrung. Er war schon öfter in der türkischen Metropole. Sogar auf der Bühne hat er dort schon gestanden.
Bei der Frage, was er denn besonders an Köln mag, fällt dem Kabarettisten einiges ein: „Du brauchst dich nur mal in Köln in ein Taxi zu setzen und dann in Berlin. Dann merkst du schon den Unterschied!“ Bei der Gegenfrage, was ihm nicht gefällt, herrscht erst einmal Schweigen. Leise zählt er die Vorteile der Stadt auf: „Dom, Rhein, die Herzlichkeit der Menschen, …“. Dann hält er einen Augenblick inne. „Nö, da fällt mir jetzt auf Anhieb nichts ein“, erklärt er anschließend. Und Fatih Cevikkollu weiß wovon er spricht. Im Alter von 25 Jahren zog es ihn in die Hauptstadt, um eine Ausbildung an einer renommierten Schauspielschule zu beginnen. Dabei stand sein Werdegang keineswegs von Anfang an fest, sondern war eher ein schleichender Prozess. Nach seinem Abitur brauchte Cevikkollu erst einmal eine Orientierungsphase und geriet dann zufällig an die Schauspielerei.
Kein „Schauspielbeamter“ sein
Nicht immer lief es für das Naturtalent in Sachen Karriere so gut wie heute. Während seiner Zeit in Berlin war er sogar fast einmal so weit, ins Haus seiner Eltern nach Köln zurückzukehren. Dies wäre für Fatih Cevikkollu jedoch der absolute Super-Gau gewesen. Also macht er weiter und wird belohnt: 1999 klingelt das Telefon. Sein Agent ist am anderen Ende und erzählt ihm, dass für eine Fernsehproduktion noch ein junger Türke gesucht wird. Also geht es zurück nach Nordrhein-Westfalen und ab zum Casting. Wenig später entsteht die mehrfach ausgezeichnete Comedy-Serie „Alles Atze“, in der Cevikkollu eine der Hauptrollen besetzt. Von seiner Schauspielschule erhält er eine seltene Ausnahmeerlaubnis für den Dreh. Von da an sind seine finanziellen Probleme Vergangenheit.
Allerdings maß der heute 36-Jährige seinen Einkünften noch nie allzu viel Bedeutung bei: „Geld ist ein sehr erfreuliches Abfallprodukt.“ Das soll jedoch nicht heißen, dass der „Kölsche Jung“ die Bedeutung von Geld nicht kennt. Denn auch er weiß, wie es ist, durch den Supermarkt zu laufen und Preise zu vergleichen. Allerdings hat er dies nie zum Anlass genommen, sich abhängig machen zu lassen. Das Düsseldorfer Schauspielhaus, bei dem er einige Spielzeiten verbrachte, verlässt er schon bald wieder. Er hat auf Dauer keine Lust, nur ein kleines Rädchen in einer stetig laufenden Maschine zu sein, von dem erwartet wird, dass es funktioniert. Auch wenn er oft viel Spaß bei den Auftritten hatte. So zum Beispiel, als er im antiken Epidauros-Theater in Griechenland vor mehreren tausend Zuschauern spielte. „Aber dann kommen Rollen auf dich zu, wo du kurz ‚Guten Morgen’ sagst und danach nur noch der dritte Statist von rechts auf der Bühne bist. Und du weißt genau, dass du in den nächsten Wochen nichts anderes machen wirst.“
Also begab sich Fatih Cevikkollu auf die Suche nach mehr Selbstständigkeit und größeren Entfaltungsmöglichkeiten. Er hat viele Ideen und entwickelt eigene Konzepte. Ende 2005 steht sein Soloprogramm „Fatihland“. Er geht erfolgreich damit auf Tour und wird prompt ein Jahr später mit dem Prix Pantheon Jurypreis ausgezeichnet. „In Kombination mit einer gewissen Basisbekanntheit eine prima Werbemaßnahme“, so der Kabarettist. Und er erklärt, dass mit der erwünschten Selbstständigkeit auch weniger erfreuliche Begleiterscheinungen einhergehen, zum Beispiel, dass man niemandem die Schuld dafür geben kann, wenn es mal daneben gehen sollte. Das ist ihm jedoch deutlich angenehmer, als einer der zahlreichen „Schauspielbeamten“ zu sein: „Du bestellst dein eigenes Arbeitsfeld. Aber in dem Prozess bist du weitestgehend autark – in Geist und Gefühl.“
Dummheit mit Komik bekämpfen
In seinem Programm „Fatihland“, das es mittlerweile in abgeänderter Version auch auf Türkisch gibt, gelingt es Fatih Cevikkollu, ernsten Themen mit Humor zu begegnen. Sein Ziel ist, sein Publikum nicht nur zum Lachen zu bringen, sondern auch zum Nachdenken anzuregen. Auf diese Art will er seinen Beitrag zur Integrationsdiskussion leisten. Und wer könnte das besser als jemand, der nach eigener Aussage aussieht wie Ali und spricht wie Hans? Fatih Cevikkollu vereint in sich beide Welten. Wer ihn darauf festnageln will, welcher Nation er sich mehr verbunden fühlt, hat Pech. Dann kann er auch schon mal emotional werden: „Das ist doch eine total dumme Frage. Dort beginnt für mich der Rassismus. Ich meine, ich könnte doch auch nicht sagen, welches Bein ich mir lieber abhacken lassen würde: das linke oder das rechte.“ Aber auch wenn Cevikkollu die Menschen zum Nachdenken anregen will, so ist er überzeugt: „Kunst muss in erster Linie unterhalten.“ Wie es ist, das nicht zu schaffen, weiß Cevikkollu auch. Bei seinem dritten Auftritt auf der Bühne sollte er kurzfristig für jemanden einspringen. Zwei mal 10 Minuten Spielzeit waren zu überstehen, und bereits nach der ersten Hälfte stand fest, dass er das Publikum wohl an diesem Abend nicht mehr für sich gewinnen würde. „Und dann musst du nochmal 10 Minuten da raus. Und das einzige, was du erntest, ist der letzte Luxus unserer Zeit: Stille!“
Kabarett statt Küche
Wäre Fatih Cevikkollu nicht Kabarettist geworden, könnte es durchaus sein, dass man ihn heute zwischen Kochtöpfen antreffen würde. Das Arbeiten mit Lebensmitteln übte schon immer einen gewissen Reiz auf ihn aus, so dass er wahrscheinlich Koch geworden wäre. Zu seinem derzeitigen Beruf sieht Cevikkollu sogar Parallelen: „Meine Komik ähnelt einer bunten Gewürzmischung; meist scharf aber zuweilen auch schon mal süß.“ Auf die Frage, ob er sich manchmal nach der Sicherheit eines typisch bodenständigen Berufs sehnt, winkt Cevikkollu ab: „Sicherheit ist nur eine Illusion“. Und als sein eigenes Produkt kann er auf seine Geschicke wenigstens maßgeblich selber Einfluss nehmen. Ein Haltbarkeitsdatum für einen Kabarettisten gibt es seiner Meinung nach nicht. Vorbilder jedoch schon. Dieter Hildebrandt beispielsweise lohnt es nachzueifern. „Er schafft es einfach bis ins hohe Alter, die Leute zum Lachen zu bringen.“ Auch sein Arbeitskollege und Freund Atze Schröder hatte als eine Art früher Mentor einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Arbeit von Cevikkollu. In die Quere kommen können sich die beiden jedoch nicht: „Atze macht Volksmusik – ich Jazz“, vergleicht er die beiden unterschiedlichen Arten von Humor.
Wenn Fatih Cevikkollu nicht gerade auf der Bühne steht, widmet er sich voll und ganz seiner Frau und seiner Tochter. Viel Zeit bleibt ihm neben seinem Beruf nicht. Daher muss er sich die Zeit, die ihm zur Verfügung steht, gut einteilen. Als zentrales Motto für ihn gilt, sich seine eigene Welt zu schaffen und das Zentrum dieser Welt zu besetzen. Also alles Relevante im Auge zu behalten. Das scheint ihm zurzeit auch gut zu gelingen, denn es könnte momentan kaum besser laufen: „Das Glück und ich sind per Du!“, erklärt der vielversprechende Nachwuchskabarettist und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Glück hat er tatsächlich, denn wenn er seine Frau zu sehr vermisst, tritt er einfach gemeinsam mit ihr auf – sie ist Opernkabarettistin.
Sein Ziel von damals hat Fatih Cevikkollu heute erreicht. Wenn in der Anmoderation sein Name fällt, ertönt tosender Applaus. Dann betritt er die Bühne mit nichts – und bringt sein Publikum zum Lachen.
Text: Arne Müller
Fotos: Koeln-Magazin.info

Köln ist die Quelle des Glücks
Und Lachen ist die beste Medizin – auch gegen Vorurteile und eingefahrene Denkweisen. Der Kölner Kabarettist Fatih Cevikollu erzählt in einem Podcast-Interview über seine besondere Liebe zu seiner Heimatstadt Köln und von seinem Leben als politisch engagierter Kabarettist.
Podcast mit Fatih Cevikkollu:

No Maganda Club
Fatih Cevikkollu stellt in Köln, Aachen, Essen und Dorsten regelmäßig in seinem Stand Up Comedy Club Nachwuchskünstler vor. Er selbst führt als Moderator durch die Abende
…mehr zum No Maganda Club
Hier wohnt Fatih
Im Kölner Stadtteil Nippes ist Fatih Cevikkollu zuhause