Köln unter Oberbürgermeister Adenauer
Ärmel hochkrempeln und anpacken, und am siebten Tage Bällchen spielen
Lange bevor Konrad Adenauer der erste deutsche Bundeskanzler wurde, war er Kölns tatkräftiger Oberbürgermeister. Er baute höher, schneller und weiter, eröffnete Messe und Universität. Dass Kölner Bürger preiswert wohnen können, sichere Arbeitsplätze und Erholung im Grünen haben, waren Anliegen, für die er sich unermüdlich einsetzte. Und dennoch hatte er Biss genug, dafür nicht jedem die Hand zu schütteln.
1917 wurde der Kölner Konrad Adenauer Oberbürgermeister seiner Heimatstadt und bestimmte im Weiteren ganz wesentlich deren Geschicke. Vieles von dem, was er initiierte, prägt bis heute das Leben in Köln. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit musste er eine schwierige Lage meistern, denn im Herbst 1918 wurde immer klarer, dass das Reich den Ersten Weltkrieg zu verlieren drohte. Überall in Deutschland kam es zu Arbeiter- und Soldatenunruhen. Auch in Köln gärte es, doch kaum vergleichbar, denn die Kölner hatten Soldaten vor Ort: Von Dezember 1918 bis 1924 waren englische Besatzungstruppen am Rhein stationiert.
Sich regen bringt Segen
Trotz der Hemmnisse ging die Stadt daran, den im 19. Jahrhundert begonnenen Weg der Modernisierung und Industrialisierung weiter zu gestalten. 1919 wurde nach 120 Jahren die Universität wieder eröffnet, die die Franzosen geschlossen hatten. Sie beherbergte nun eine Weiterentwicklung der Handelshochschule, die es seit einigen Jahren gab. Schon kurz nach ihrer Gründung gehörte die Hochschule zu den größten ihrer Art im Land Preußen. Im Wintersemester 1922/23 war sie bereits die zweitgrößte.
Auch die erfolgreiche Durchführung der ersten großen Messe im Mai 1924 war für Köln als Handelsstadt im Grunde lange überfällig: Bis 1928 wurden am Deutzer Rheinufer die riesigen Messehallen hochgezogen, wo Ausstellungen von internationaler Bedeutung in angemessenem Rahmen präsentiert werden konnten. Adenauer lag viel daran, die Entwicklung Kölns zum Ausstellungs- und Messestandort voranzutreiben.
Der Flughafen Butzweilerhof, der zu Zeiten Kaiser Wilhelm II. auch eine große Zeppelinhalle umfasste, wurde nach dem Abzug der englischen Truppen 1924 zivil genutzt. Bis zum Zweiten Weltkrieg entwickelte er sich zum „Luftkreuz des Westens“: Nach Berlin-Tempelhof war er der zweitgrößte deutsche Flughafen und versorgte neun Passagierfluglinien sowie sieben Fracht- und Postfluglinien.
Zu den zahlreichen Kölner Bauvorhaben zählte 1924/25 auch das Hansahochhaus, damals mit 65 Metern das höchste Haus Europas. Wohnungsbaugenossenschaften schufen kontinuierlich neuen Wohnraum für die wachsende Bevölkerung. Die Eröffnung des Müngersdorfer Stadions 1923 machte Köln dann zur Sportmetropole. Die Hauptkampfbahn des Stadions galt lange als eine der schönsten und funktionell besten Sportanlagen Europas.
Adenauers Prestigeobjekt, die Mülheimer Brücke, verband im Oktober 1929 das Zentrum mit der aufstrebenden rechtsrheinischen Industrie. Im Februar des gleichen Jahres hätte man allerdings auch ohne die größte Hängebrücke Europas bequem hinüberlaufen können, denn der Fluss war fast auf seiner gesamten Länge zugefroren. Der Mülheimer Brücke sollte leider nur ein kurzes Leben beschieden sein: Im Oktober 1944 würde sie als erste der Kölner Brücken einem Luftangriff zum Opfer fallen.
Die ehemals von den Preußen als militärisches Gebiet beanspruchten Flächen rund um die Stadt wurden dank Adenauers Initiative in ein Naherholungsgebiet umgewandelt: Im Grüngürtel ließ der Oberbürgermeister Sportanlagen, Liegewiesen, Spielplätze, Seen und Weiher anlegen – für damalige Verhältnisse eine ungewöhnliche Neuerung. Von den früheren Festungen der Preußen sind u.a. noch das Fort X „Prinz Heinrich“ in der Grünanlage am Neusser Wall und das Fort IV im Volksgarten erhalten.
Adenauer bleibt auf Kurs
Die im Winter 1929/30 aufkommende Wirtschaftskrise hatte auch für Köln schwerwiegende Folgen. Adenauer versuchte, durch den Ausbau von Grünanlagen und die Schaffung billigen Wohnraums möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern und den Lebensstandard zu erhalten. Auch die Errichtung der Kölner Ford-Werke 1931 ging auf Adenauers intensive Verhandlungen zurück. Das erste Modell war ein Ford Typ A namens „Rheinland“. Der Bau der Autofabrik und der ersten Autobahnstrecke Köln–Bonn 1932 erwies sich als Glücksfall für die Region. Die Autobahn wurde allerdings von den Nazis kurzzeitig zur „Landstraße“ zurückgestuft, damit sie den Ruhm, die „erste Autobahn“ gebaut zu haben, für sich selbst verbuchen konnten.
Der ab 1912 für die Werkbund-Ausstellung von 1914 gestaltete Rheinpark bei den Messeanlagen wurde 1928 für die Internationale Presse-Ausstellung (Pressa) mit Rosengarten und Liegewiesen ausgestattet. Die Ausstellung dauerte sechs Monate und sollte der wachsenden kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung des Zeitungswesens und der Kommunikationstechnik Rechnung tragen. Aus heutiger Sicht kann diese Messe auch als erster Schritt der Stadt auf dem Weg zum Medienstandort gewertet werden.
Die vielen Kirchen und Kunstsammlungen, wie z. B. die Sammlungen Wallraff und Richartz, zogen scharenweise Kulturbegeisterte an den Rhein. Bereits vor Adenauers Zeit hatte Köln 1912 in der Kunsthalle die 4. Sonderbund-Ausstellung ausgerichtet: Kölns erste internationale Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die 634 Arbeiten von Künstlern aus ganz Europa präsentierte. Zahlreiche neue Skulpturen für den öffentlichen und privaten Raum wurden in Auftrag gegeben. Doch oft zog es ambitionierte, unbequeme Künstler noch in die Fremde, wie z.B. den Surrealisten Max Ernst, der 1922 nach Paris auswanderte.
Auch Adenauer war für manche ein unbequemer Zeitgenosse. Schon 1931 geriet er ins Visier der SA, als er in einer Nacht- und Nebelaktion aufgehängte Hakenkreuzfahnen am nächsten Morgen unverzüglich von den Rheinbrücken entfernen ließ. Wegen seiner Standhaftigkeit und weiteren Affronts nach der Machtergreifung jagten ihn die Nazis 1933 aus dem Amt, das er 16 Jahre lang mit großem Engagement ausgeübt hatte. Doch Adenauer hatte den längeren Atem: 1949 kehrte er 73-jährig als erster deutscher Bundeskanzler für 14 Jahre auf die politische Bühne zurück.