Heinrich Pachl – der Robin Hood des deutschen Kabaretts
Der Kabarettist Heinrich Pachl trifft mit seinen leisen und doch scharfzüngigen Tönen den Nerv der Zeit
Heinrich Pachl ist selbsternannter Spezialist für vertrauensstörende Maßnahmen. Mit seiner Arbeit will er die Welt zwar nicht verändern, wohl aber ein bisschen besser machen. Als Kabarettist und Filmemacher hat er die wichtigsten Künstlerpreise abgeräumt, darunter den deutschen Kabarettpreis und den Adolf-Grimme-Preis. Seit den 70ern wohnt der Sozialkämpfer in Köln. Und wenn man ihn nicht zufällig in seinem Veedel in Nippes trifft, schreibt, tüftelt und arbeitet Heinrich Pachl an seinen aktuellen Projekten.
Am liebsten würde er den Don Giovanni singen, aber dafür habe er „kein Gold in der Kehle“ – antwortet Heinrich Pachl auf die Frage, was er am allerliebsten täte. Er ist leidenschaftlicher Operngänger. Doch so ungleich sein aktueller Beruf und
seine Wunschtätigkeit zunächst erscheinen, so unterschiedlich sind sie im Grunde nicht: Kabarettist und Opernsänger – beide stehen auf der Bühne und thematisieren Geschichten, die die Menschen bewegen. Hier werden gesellschaftliche Dramen sichtbar, wird das Unsagbare ausgesprochen und das Unfassbare gleichermaßen belacht und beweint. Heinrich Pachl will mit seinem Kabarett nicht die Welt verändern – nur „die Verschlimmerung“, die möchte er „ein bisschen abbremsen“.
Der Bade aus dem Rheinland
Heinrich Pachl kommt aus einem bürgerlichen Elternhaus. Im Schwarzwald wurde er geboren, doch aufgewachsen ist er in Freiburg. Immer schon zieht es ihn zum Theater. Und schnell war klar: Das bürgerliche Stadttheater ist keine Alternative. Vielmehr stand „die Revolution“ auf dem Plan. Die Revolution gegen die gesellschaftliche Ordnung mit all ihren Zwängen und Ungerechtigkeiten. Und so kam Pachl erst zum Polit- und Straßentheater und schließlich zum Kabarett. Er bekommt die Anfänge ganz früh mit, denn „eine Szene, gab es nicht. Die Strukturen haben sich erst entwickelt.“ Er fängt an, mit Kollegen in Kneipen aufzutreten. Hier lernt Heinrich Pachl eine ganz wesentliche Darsteller-Eigenschaft: wie man die Angst vor dem Publikum verliert. „Der Trick ist, die Menschen direkt anzuschauen, sie zu konfrontieren“, verrät Pachl. Aber das Lampenfieber bleibt – auch heute noch, nach so vielen Jahren, etlichen Soloprogrammen und zahlreichen Film- und Theaterarbeiten. Mit dem Alter nimmt das Lampenfieber sogar zu – erzählt er. Und Heinrich Pachl gesteht, dass er im Grunde seines Herzens auch ein bisschen schüchtern ist.
Dabei ist es genau diese Mischung, die ihn so sympathisch macht: die Mischung aus schüchtern und forsch, aus einfühlsam und scharfzüngig. Er ist kein Prahler oder lauter Polterer wie einige seiner Kollegen. Heinrich Pachl kommt eher still daher. Und trotzdem kann er von der einen zur anderen Sekunde brillante Ideen aus dem Ärmel zaubern und ohne Punkt und Komma sprechen, als habe er noch nie den Faden verloren. Was er sagt ist klug. Und lustig. Bis ins letzte Detail durchdacht. Und man merkt, dass er viel nachdenkt über die Dinge, die ihn bewegen. Seine Stimme hat ein warmes Timbre. Und seine Reden untermalt er immer wieder mit pointierten Gesten. Gerne rutscht er ab in die (Kölsche-)Mundart oder den Helmut-Kohl-Jargon, was er beides wunderbar beherrscht. Und man hört ihm gerne zu, wenn er spricht. Besonders wenn es um Situationen geht, die jeder von uns kennt.
Vom Mut man selbst zu sein
In den 70er Jahren verschlägt es ihn berufsbedingt nach Köln. Die Stadt bietet ihm – dank Klüngel und Trienekens – den nötigen Nährboden und weiteren Stoff für seine Stücke. Unter anderem spielt er vor den Toren der Kölner Fordwerke: Gewerkschaftlich motiviert sind die Themen seiner Auftritte, linkspolitisch und gesellschaftskritisch. Bekannt wird er schließlich durch „den wahren Anton“, eine Theatergruppe, die komisches, satirisches Polittheater betreibt. In den 80ern arbeitet er unter anderem als Filmemacher. Er dreht den Film „homo blech“ – eine Satire über die Stadtentwicklung, die Möglichkeit der Fortbewegung in der Stadt. Für diese Doku bekommt er den heißbegehrten Adolf-Grimme-Preis. Und eigentlich recht spät kommt er erst zum Kabarett. Zunächst in Paarungen und schließlich als Einzelkünstler: „Wie jeder Architekt irgendwann mal einen Stuhl macht, so macht jeder Kabarettist irgendwann mal ein Solo. Und hat man das einmal hinter sich, ist man nicht wieder resozialisierbar“, so Pachl. Anfang der 90er tritt er im legendären „Reichspolterabend“ auf, einer Kabarettgruppe aus bekannten Größen, die nur ab und zu zusammentrifft. Es folgen eine Reihe von Einzelauftritten: insgesamt acht Soloprogramme bringt er bis heute auf die Bühne. Erst 2006 erhält er den deutschen Kabarettpreis.
Mut ist eine Eigenschaft, die Heinrich Pachl unbedingt auszeichnet. Sein fast abgeschlossenes geisteswissenschaftliches Studium hat er hingeschmissen, weil er wusste, dass das nicht das Richtige für ihn ist („Heute bin ich G. o. A.: Geisteswissenschaftler ohne Abschluss“). Sein Herz schlägt eben fürs Theater. Und einen Soloauftritt in Nürnberg brach er einmal nach einer halben Stunde ab, weil die Zuschauer nicht lachten – die Botschaft kam nicht an. Das hatte keinen Zweck.
Harte Arbeit für einen guten Zweck
Die Themen für seine Programme muss sich Heinrich Pachl „hart erarbeiten.“ Er fühle sich wie ein Wal mit einem großen Maul: Er nimmt eine Menge auf und nur ein kleines bisschen bleibt hängen. Und so sammelt und filtert er Informationen rund um die Themen, die ihn interessieren. Bis die ersten Zeilen stehen und schlussendlich das ganze Stück. Dann dauert es noch mal gute zwei Monate, bis das Programm aufführungsreif ist. Das was auf der Bühne so leicht daherkommt, ist also harte Arbeit. Aber die macht er gerne.
Heinrich Pachl trifft damit meistens empfindlich den Nerv der Zeit – fast schon unheimlich wie Kabaretttitel und aktuelles Zeitgeschehen zusammengehen. Sein Soloprogramm „die Spur der Scheine“ fiel in das Jahr der Bankencrashs und sein aktuelles Programm „das überleben wir“ hatte kurz nach der Katastrophe in Fukushima Premiere. Das ist erstaunlich, vor allem wenn man weiß, dass der Programmtitel bereits ein knappes Jahr vor der Premiere feststeht! Seine Freunde wollen zumindest demnächst gerne wissen, wie seine Programme lauten, damit sie rechtzeitig Vorsichtsmaßnahmen ergreifen können.
Das Privatleben ist Heinrich Pachl wichtig, obwohl – oder gerade weswegen – er nur wenige Worte darüber verliert. Seine Augen verraten, dass ein weicher Kern hinter der scharfen Zunge steht. Er ist Idealist und tief in seinem Herzen ein Weltverbesserer – getrieben von den Ungerechtigkeiten des Lebens. Deshalb geht er vermutlich auch gerne in die Oper, zum Beispiel in Don Giovanni, weil hier noch ganz klassisch und ohne Zynismus das Gute über das Böse siegen kann.
Text und Audio-Podcast: Rohita Bruckmann
Fotos: Koeln-Magazin.info
Spontanes Video
Der Kölner Kabarettist Heinrich Pachl zu Gast bei Koeln-Magazin.info. Spontan gab er vor laufender Kamera der Redaktion eine Kostprobe seines Könnens. Und sinniert scharf und frech über die Bundeswehr. Und über den Sinn des Sterbens in Afghanistan. Und über den Sinn und Unsinn der Worte "Gefallene" und "Getötete".
Podcast-Interview mit Heinrich Pachl
Offen und kritisch spricht Kabarettist Heinrich Pachl über seine Beziehung zu Köln. Warum ihn das Steuern zahlen zum wahren Kölner machte und was die Gemeinsamkeit von Politik und Bier ist, erzählt er im Audio-Podcast.
Podcast mit Heinrich Pachl: