Heinrich Welsch
Lehrer mit Herz und Weitsicht
(1848 in Arzdorf – 1935 in Köln)
Wenn man heute Kölner fragt, wer die berühmteste Persönlichkeit der Stadt sei, dann hört man viele Namen: Willy Millowitsch, Heinrich Böll, Konrad Adenauer und viele mehr.
Fragt man hingegen nach dem berühmtesten Lehrer in der Domstadt, so erhält man wie aus der Pistole geschossen die Antwort: das war der Lehrer Welsch. Der aus der Kaygasse. Dem das berühmte Karnevalslied „En d´r Kaygaß Nr. 0“ gewidmet wurde. Weil er dort, mitten in der Kölner Innenstadt, eine Schule gegründet haben soll. Aber es war nicht die Kaygasse, wo Heinrich Welsch mit Leib und Seele tätig war. Er arbeitete als Lehrer in Köln-Kalk. Und dort, in der Nähe der Kalker Kapelle, gründete er auch später seine Schule für körperlich und geistig behinderte Kinder.
En d´r Kaygaß Nr. 0 steht en steinahl Schull, und do han mer drin studeet. Unser Lehrer dä heeß Welsch, sproch en unverfälschtes Kölsch, un do han mer bei jeleert.
So inbrünstig, wie so mancher das Lied mitsingt, so intensiv stellt man sich dabei den Lehrer Welsch vor. Als einen netten, sympathischen Herrn, der fröhlich und in breitem rheinischen Dialekt seinen Unterricht abhielt. Der gütig war, gerecht und vor allem viel Verständnis für seine Schüler aufbrachte.
Aber nur die wenigsten wissen, dass dieser Herr tatsächlich existiert hat und dass er auch etwas ganz Besonderes war. Als er im Jahre 1935 starb, war Heinrich Welsch ein hoch angesehener Lehrer, der lernschwachen Kindern erfolgreich zu einer Chance im Leben verholfen hatte. Mehr noch: er war zu einer Kultfigur in Köln geworden, geachtet von Eltern und Kindern.
Musikalisches Denkmal
Drei Jahre nach seinem Tod wurde ihm von dem Kölner Musiker-Trio „Drei Laachduve“ das oben genannte Lied gewidmet und damit ein musikalisches Denkmal gesetzt, das Heinrich Welsch unsterblich machen sollte. Und es sind nicht nur die Schulkinder, die sich diesen Song, mit dem für die damalige Zeit reichlich provokativen Text, gern zu Eigen machen. Es vergeht keine Karnevalssession, in der der Evergreen nicht zum Programm in den Kölner Sälen und auf den Straßen gehört.
Heinrich Welsch wurde am 29. Mai 1848 im kleinen Dorf Arzdorf, dem heutigen Wachtberg, als erstes Kind von Josefine und Michael Welsch geboren. Hier verbrachten er und seine vier jüngeren Geschwister eine relativ glückliche Kindheit auf dem elterlichen Bauernhof. Obwohl alle Kinder, wie üblich zu jener Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts, bei der täglichen schweren Arbeit auf dem Hof mithelfen mussten, kam Heinrich dennoch in den Genuss, eine Schule besuchen zu dürfen. In einer Arzdorfer Volksschule lernte er lesen, schreiben und rechnen.
Mit 13 wechselte er zur Rektoratsschule – eine Art Gymnasium – ins nahe gelegene Meckenheim und zwei Jahre später in das Lehrerseminar der katholischen Schulbrüder nach Koblenz, wo seine Ausbildung zum Pädagogen begann. Seine Prüfung als Lehrer legte er 1865 in Brühl ab.
Eine seiner ersten Stellen führte ihn ins Sauerland, wo er als Hauslehrer auf dem Schloss der adligen Familie von Fürstenberg für die Erziehung ihrer vier Söhne zuständig war. Nachdem diese das Gymnasium erreicht hatten, endete seine Anstellung und Heinrich Welsch verschlug es im Jahre 1881 nach Köln. Zunächst nach Worringen, kurzfristig nach Köln-Sülz, schließlich jedoch nach Köln-Kalk, dem wichtigsten Schauplatz seines Schaffens.
Hier – auf der rechten Rheinseite – war im Laufe der Jahre eine Industriestadt herangewachsen, in der viele, meist arme Menschen auf engstem Raum lebten. Die seit 1850 existierende Volksschule wurde nur von wenigen Kindern besucht. Die meisten mussten zum Lebensunterhalt der Familie beitragen, viele waren krank oder auch einfach zu arm, um zum Unterricht zu gehen. Heinrich Welsch, der zunächst an dieser Schule unterrichtete, erkannte bald die Misere dieser Zeit und die Chancenlosigkeit der Arbeiterkinder.
Deshalb gründete er im Jahre 1905 eine Hilfsschule für benachteiligte oder gar lernbehinderte Kinder. Hier wurden vor allem lernschwache Kinder betreut und erhielten somit einen Grundstock an Wissen und Erziehung. Aber Lehrer Welsch kümmerte sich nicht nur um seine Schüler, sondern auch um die Armen des Stadtteils. Vor allem die unverheirateten Mütter lagen ihm am Herzen, für die er stets – gemeinsam mit seiner Frau Katharina – mit Worten und Taten eintrat.
Heinrich Welsch heiratete die Lehrerin Katharina Zentner im Jahre 1886 und wurde nach einigen Jahren selbst Vater mehrerer Kinder. Allerdings erreichten nur zwei – Maria und Martha – das Erwachsenenalter.
Eine Tochter und die beiden Söhne starben früh.
Aber wie kam der Lehrer Welsch denn nun von der „schäl Sick“ zur Kaygasse auf der anderen Rheinseite?
Manche gehen davon aus, dass der Text des Liedes sich besser mit dem Begriff Kaygasse gereimt und deshalb zum Ortswechsel verleitet hätte. Nach mehrmaligem Umtexten sei so der Ort des Geschehens von Kalk in die Kaygasse am Großen Griechenmarkt im Kölner Zentrum verlegt worden.
Es gibt aber auch die Ansicht, dass die „Drei Laachduve“ die Gegend um die Kaygasse bewusst gewählt hätten, weil auch diese genau wie Kalk einst zu den sozialen Brennpunkten der Stadt gehört haben.
Tatsache ist aber, dass es genau an der besungenen Stelle in der Kaygasse Nr. 0 eine Schule gibt – die Katholische Hauptschule Großer Griechenmarkt – die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dem Lehrer Welsch ein stetes Andenken zu bewahren. „En d’r Kaygaß Nr. 0“ ist das heutige Schullied, und jedes Jahr zur Karnevalszeit wird die Geschichte um den rührigen Lehrer mit dem großen Herzen wieder lebendig. Hier erinnert auch eine Gedenktafel aus dem Jahre 1953 an den Lehrer Welsch aus Arzdorf, der zwar nicht aus Köln stammte, die Stadtgeschichte aber nicht unwesentlich mitgeprägt hat. Und zwar durch Menschlichkeit, Güte und seine vorausschauende, zukunftsweisende pädagogische Arbeit.
Ute Hayit