Der Klüngel in der politischen Kultur Kölns
Gegenseitige Gefälligkeiten in wirtschaftlichen, industriellen oder politischen Bereichen werden gemeinhin mit dem Begriff „Klüngel“ umschrieben – eine Hand wäscht die andere, wie man so schön sagt. Aber diese Art der Gegenseitigkeit kann schnell in korruptes Geschäftemachen entarten. Zu viel wirtschaftet jeder in seinen Interessen, zu wichtig sind „gute Kontakte“, die man für sich ausnutzen kann. In dieser Hinsicht ist Klüngel ein eher negativ besetzter Begriff.
Der Kölsche Klüngel stellt einen speziellen Typus dieses Phänomens dar. Der Kölner an sich ist es schon aus der Historie heraus gewohnt zu klüngeln – wollte man sich mit den handelnden Schiffsreisenden gut stellen, die, den Rhein herunterschippernd, in Köln Station machten. Schließlich galt früher der Handel am Hafen und auf den Straßen als grundlegende Quelle der Bedarfssicherung. Da war es vorteilhaft einen Händler zu kennen, der einem seine Ware gegen kleine Gefälligkeiten vielleicht besonders günstig verkaufte. Geklüngelt wurde frei nach dem Motto: Man sieht sich immer zwei Mal im Leben.
Der Begriff Klüngel hat in Köln eine lange Tradition und für den Kölner eine recht positive Bedeutung. Als Kölner ist man stolz darauf, wenn man etwas ordentlich geklüngelt hat, wenn man also ein Geschäftchen gemacht hat, mit dem man sich Vorteile verschafft hat oder seine Ziele durchsetzen konnte.
Weder diese beschönigende Sicht des Klüngelns noch die Verallgemeinerung als korrupte Handlung wird jedoch der vollständigen Bedeutung des Klüngels gerecht. Das möchte der Kölner Journalist und Politikwissenschaftler Frank Überall belegen. In seinem Buch „Der Klüngel in der politischen Kultur Kölns“ arbeitet Überall die allgegenwärtige Attitüde des Klüngels analytisch auf. Er stellt sowohl die positiven Seiten dieses Handlungsmusters heraus, indem er verdeutlicht, dass der Begriff eng verwandt ist mit dem Wort „Knäuel“. Dieses Wort impliziert etwas Verwobenes, Vernetztes und kann aus sozialer Sicht auf den Begriff des Netzwerks übertragen werden.
Soziale, kooperative Netzwerke sind von Grund auf demokratieförderlich und nutzenorientiert. Sie fangen in der Nachbarschaft an und sind entscheidender Teil des „miteinander Umgehens“. Wer auf diese Weise klüngelt, steigert gewissermaßen den sozialen Zusammenhalt.
Jedoch ist gerade in den machtpolitischen Bereichen unseres Lebens ein derartiges Verhalten oft der Gefährdung ausgesetzt, in die Korruption abzurutschen. Dann wird aus gegenseitigem Nutzen schnell einseitiges Ausnutzen, Vertuschen, Ablenken oder unter den Tisch kehren. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es aber auch viele Grauzonen, die durch kommunikative Haltungen, äußere Einflüsse und knappe Ressourcen beeinflusst werden.
Überall beleuchtet anhand von Fallbeispielen und Strukturanalysen die politische Realität Kölns. Dabei greift er zum einen Skandale wie den Kölner Müll-und Spendenskandal auf. Zum anderen beschreibt er das Verhältnis der Politik, der Öffentlichkeit und der Medien zum Thema Klüngel. Er möchte den Leser mit seinen Beobachtungen dazu anregen, die korrupte Seite des Klüngels genauer zu reflektieren. Der Grundtenor des Autors ist jedoch eindeutig: „Ohne (positiven) Klüngel wäre Demokratie kaum machbar.“
Frank Überall
Der Klüngel in der politischen Kultur Kölns
Bouvier Verlag, Bonn 2007
271 Seiten, kartoniert
ISBN: 978-3-416-03125-7
EUR 19,90
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