Brüsseler Platz
Der Brüsseler Platz im Herzen des Belgischen Viertels
Welche Kölnerin und welcher Kölner kennt ihn nicht - den Brüsseler Platz, das Herzstück des Belgischen Viertels? Alle kennen ihn. Und tatsächlich ist der im Grunde recht beschauliche Platz auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden. Das liegt zum einen an der prominenten Lage inmitten des innerstädtischen Szeneviertels und zum anderen auch an der ausgelassenen Partystimmung, die hier nicht nur an den Wochenenden herrscht. Wie aber ist aus dem Plätzchen zu Füßen einer Kirche das heimliche Wahrzeichen der Kölner Ausgehkultur geworden? Nun…
Die Ursprünge des Brüsseler Platzes
…die Geschichte des Brüsseler Platzes beginnt im Jahre 1889, nachdem die mittelalterliche Befestigung der Stadt in den Jahren zuvor zu großen Teilen abgerissen worden war. Anstelle der Mauern sollte nun ein prächtiger Ringboulevard verlaufen, der heute als die Kölner Ringe bekannt (und berüchtigt) ist. Mit der Niederlegung der mittelalterlichen Befestigung erschloss sich für die Stadt gleichzeitig die Möglichkeit, das vor den Mauern gelegene Areal zu nutzen. Bis dato hatte für dieses nämlich ein Bebauungsverbot bestanden, das es nun den Mauern gleichtat und wegfiel. Im besagten Jahr 1889 erwarb das Kölner Erzbistum das Grundstück, auf dem sich heute der Brüsseler Platz befindet. Damals jedoch stand hier nicht das gesellige Biertrinken im Mittelpunkt – wie es doch heute der Fall ist – sondern der Glaube: In den 1890er-Jahren wurde auf dem Platz eine erste Kirche errichtet, die in ihren Anfängen jedoch auf einen provisorischen Bau aus Backsteinen reduziert blieb. Ab 1902 entstand aus diesem dann die heutige Kirche St. Michael, die – wie es damals bei den Kölner Kirchen die Regel war – auf den Dom ausgerichtet wurde. Seine jetzige Gestalt aber hat das Gotteshaus erst nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten.
Die Kirche St. Michael
St. Michael ist die drittgrößte Kirche Kölns – in ihren Dimensionen wird sie nur noch von St. Agnes in der nördlichen Neustadt und dem Dom persönlich übertrumpft. Da das Kirchengebäude im Zweiten Weltkrieg bei Fliegerangriffen zerstört wurde – und dabei unter anderem seinen ursprünglichen Vierungsturm und die Kuppel einbüßte – wurde nach dem Krieg eine Reparatur der Kirche notwendig. Bei dieser wurde auf einen Wiederaufbau des Vierungsturms verzichtet.
Der Platz um St. Michael herum war zunächst als Freifläche konzipiert worden, sein jetziges Aussehen mit Sitzgelegenheiten, Bäumen und Blumenbeeten wurde ihm in den Jahren 1981 und 1982 verliehen. Heute befinden sich zu Füßen der Kirche auch ein Kinderspielplatz, mehrere Tische zum Schachspielen aus Stein und auch die Außenfläche eines angrenzenden Gastronomiebetriebes. Um den Platz selbst haben sich im Laufe der Jahre alternative Klamottengeschäfte, Restaurants und Kunstgalerien angesiedelt, weshalb er sich vor allem bei jungen Kölnerinnen und Kölnern zum beliebten Place-to-be entwickelt hat. Nicht nur locken die Boutiquen und Gastronomien zum Platz, besonders am Wochenende füllt sich dieser mit Feiernden, die hier mit einem Bier vom Kiosk ein Prosit auf das gute Leben aussprechen.
Als der „Brüsseler” zum Treffpunkt wurde
Und diese Nutzung des Kirchplatzes als Treffpunkt begann ausgerechnet mit dem Weltjugendtag 2005. Im Rahmen dessen fand auf dem Plätzchen nämlich ein ein Live-Event mit Musik und ausgelassener Stimmung statt – was den jungen Teilnehmern der Veranstaltung in Erinnerung blieb. Hatte es sich einmal herumgesprochen, dass man auf dem Brüsseler Platz gut feiern kann, zog es immer mehr Menschen zu St. Michael.
Aus dieser Eigendynamik heraus entwickelte sich eine Posse aus Streit und Zank – den Anwohnern des beliebten Veedels nämlich begann die Partylaune der jungen Leute zu missfallen: Gejohle, Flaschenklirren und die allgemeine Geräuschkulisse der leichtlebigen Ausschweifungen brachten sie alsbald um den Schlaf. Die Stadt reagierte auf die Beschwerden mit einer Reihe von erfolglosen Versuchen, den Lärm auf dem Platz auf ein Minimum zu beschränken. Die aufgestellten Verhaltensregeln und eingesetzten Mediatoren, die hier in den Abendstunden für Ruhe sorgen sollten, reichten nicht aus, um dem fröhlichen und geräuschvollen Treiben ein Ende zu bereiten. Immerhin befanden sich auf dem Zenit bis zu 1.500 Personen auf dem Platz.
Inzwischen greifen am Herzstück des Belgischen Viertels mehrere Ordnungsverfügungen, auch gibt es eine Sperrzeit für die örtliche Versorgung mit Flaschenbier zur Mitnahme. An Beliebtheit hat der Brüsseler aber dennoch nichts eingebüßt.
Tier- und Pflanzenvielfalt auf dem Platz
Neben den Feiernden aber zieht es auch viele Pflanzen- und Vogelfreunde zum Brüsseler Platz, dessen blumenreiche Begrünung eine vielfältige Population an Insekten und Vögeln begünstigt.
Die Gruppe „Querbeet” setzt sich seit 2003 für den Erhalt und die Pflege des örtlichen Grüns ein und führt Studien zur hiesigen Flora und Fauna durch. Diese sieht die Initiative gleichzeitig durch das abendliche Tohuwabohu auf dem Platz gefährdet. So heißt es auf der Website der Gruppe: „Hunderte von Feierlustigen bevölkern das Areal rund um die Kirche. Der Lärmpegel bis in die frühen Morgenstunden dringt bis in die Seitenstraßen hinein. Der Platz und die Beete sind vor allem an den Wochenenden zugemüllt und Pflanzen werden zerstört (werden zertrampelt, Blüten abgeschnitten).” (1)
Der Streit darum, wem der Brüsseler Platz denn nun gehöre, wird in absehbarer Zeit also kein Ende nehmen. Dabei ist diese Frage im Grunde recht einfach zu beantworten: Der Brüsseler gehört allen Kölnerinnen und Kölnern und sollte von jedem Einzelnen so behandelt werden, dass sich hier alle wohlfühlen können – die vorglühenden jungen Leute, die Anwohner, die Pflanzenliebenden und jene, die sich den Platz einfach mal anschauen wollen. Denn egal, mit welcher Absicht man den Brüsseler Platz auch aufsuchen mag – einen Besuch ist das lebhafte Plätzchen zu Füßen von Kölns drittgrößter Kirche allemal wert.
Text und Fotos: Florian Eßer
Quellen und Anmerkungen:
Über den Autor
Florian Eßer ist in Köln geboren und aufgewachsen. Nach einem Studium der Germanistik arbeitet er nun als freier Journalist und Autor in seiner Heimatstadt. Besonders schätzt er die Vielfältigkeit Kölns, die über Karneval und lecker Kölsch hinausgeht – wenn man genauer hinsieht.