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Das Kölsch, Bier, Kölschkonvention, Geschichte

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Von der Gaffel zur Kölsch-Konvention

Markus Schnitzler

Mit dem Lieblingsbier der Kölner entwickelten die Bierbrauer rund um den Dom ein Getränk, das eine besondere Position auf dem deutschen Biermarkt einnimmt. Ein italienischer Heiliger und ein französischer Kaiser gehören ebenso zur Tradition des Kölsch wie der Köbes und der halve Hahn.

Kölsch ist „ein nach dem Reinheitsgebot hergestelltes, helles, hochvergorenes, hopfenbetontes, blankes, obergäriges Vollbier“. So definiert die Kölsch-Konvention das Lieblingsgetränk der Kölner. Am 6. März 1986 trafen sich die Vertreter von 24 Brauereien, um dieses Dokument zu unterzeichnen. Seitdem darf das obergärige Bier mit durchschnittlich 11,3 % Stammwürze und 4,9 % Alkohol nur noch in Köln sowie in einigen Brauereien im Umland, die wegen ihrer langjährigen Aktivitäten Bestandsschutz genießen, hergestellt werden.

Die Europäische Union verstärkte diese Exklusivität im Jahre 1997, als sie dem Kölsch eine geschützte Herkunft bescheinigte. Nun genießt es das gleiche Recht wie der Champagner, wobei sich der Schutz nur auf Europa beschränkt. Außerhalb des Kontinents versuchen einige Brauer, das Bier zu imitieren. So gibt es beispielsweise in Brasilien ein Eisenbahn Kölsch. Die selbstauferlegten Beschränkungen der Kölner Brauereien bedeuten allerdings nicht, dass es keine Bewegung auf dem Markt gibt. Mit dem jüngsten Neuzugang sorgte im August 2007 ein Getränkekonzern für Aufregung. Dabei passt der Markenname „Traugott Simon“ gut zur Geschichte.

St. Peter von Mailand und die organisierten Bierbrauer

Als das Bier, an dem sich bereits die Sumerer, Babylonier und Ägypter erfreuten, nach Europa kam, waren die Klöster die wichtigsten Brauereien. Die religiöse Komponente blieb  erhalten, als sich die Herstellung des Biers zum Gewerbe entwickelte. Die Verbundenheit zur Kirche dokumentierte die Zunft der Kölner Brauer durch die St. Peter von Mailand-Bruderschaft.

Im Jahre 1164 waren die Gebeine der Heiligen Drei Könige aus Italien nach Köln überführt worden und ermöglichten der Stadt am Rhein den Aufstieg zur Metropole. Ein wichtiger Förderer der Bruderschaft war der 1812 just am 29. April, dem Festtag des Heiligen, geborene Wilhelm Scheben; ihm verdanken wir zahlreiche historische Informationen und Dokumente. Die Bruderschaft, die später auch als „Cölner Brauerei-Cooperation“ weiterlebte, war im Mittelalter nicht die einzige Gemeinschaft, zu der sich die Brauer zusammenschlossen.

Politisch organisierten sie sich in der so genannten Gaffel, eine Bezeichnung, die sich von den bei vornehmen Tischgesellschaften benutzten Gabeln herleitet und einer Brauerei zum Namen verhalf. 22 Gruppen unterzeichneten am 14. September 1396 einen Verbundbrief, der Richtlinien für die Verwaltung festlegte und die Stadt vom Einfluss adliger Obrigkeit befreite.

Kaiser und Erzbischöfe hatten im 13. Jahrhundert das finanzielle Potential erkannt. 1212 mussten die Brauer erstmals die Zeche in Form einer Biersteuer zahlen. Die Herrscher kümmerten sich jedoch nicht nur um volle Kassen; sie achteten auch auf eine gewisse Qualität.

Bereits im 14. Jahrhundert, mehr als hundert Jahre vor dem allgemein bekannten bayerischen Reinheitsgebot von 1516, gab es vergleichbare Vorschriften in der rheinischen Metropole. Untergärige Biere waren als „Dollbier“ verachtet, weil sie durch ihre berauschende Wirkung Unruhe und Gewalt bei den Konsumenten provozierten. Wer schlechte Qualität produzierte, wurde mit dem Beinamen „Surbier“ gebrandmarkt. Für den Bierimport galten ebenfalls strenge Regeln.

Hopfen und Malz verloren

Bis die Kölner Brauer das Kölsch entdeckt hatten, experimentierten sie mit mehreren sehr unterschiedlichen Biersorten. Die Entwicklung begann mit dem Grutbier, das aus Gerste und – wie der Name schon sagt – aus diversen Kräutern gefertigt wurde. Dann entdeckte man den Hopfen, der besser schmeckte und wegen seiner konservierenden Wirkung einen entscheidenden Vorteil besaß. Das „Hoppebier“ war anfangs von roter Farbe. Durch einen erhöhten Anteil von Weizen entstand das hellere, gelbe Keutebier. Hopfen und Malz entwickelten sich zu den wichtigsten Ingredienzien des Getränks. Wenn diese Zutaten einmal aus waren, hatten die Brauer allen Grund sich zu beklagen. Daher stammt auch der wohlbekannte Ausdruck: „Da ist Hopfen und Malz verloren“. Die Malzmühle gab dem Mühlen Kölsch seinen Namen. Der unmittelbare Vorgänger des Kölsch war das Wieß, das im Gegensatz zum heutigen Produkt noch nicht filtriert und daher naturtrüb war.

Angesichts der Lobreden auf das Kölsch als einzig wahres Bier, mag es seltsam erscheinen, aber zeitweise war es gang und gäbe, dass in den Kölner Brauereien auch Pils oder Alt hergestellt wurde. Das Altbier, das als Synonym für Düsseldorf gilt, ist dem Kölsch schließlich viel ähnlicher, als das durch Karneval, Werbung, Witze und alternative Computertasten geförderte Konkurrenzdenken vermuten lässt. Der einzige Unterschied zwischen Kölsch und Alt entsteht beim Darren (Erhitzen des Grünmalzes bis zu einer bestimmten Temperatur). Für das Kölner Bier verwendet man helles, für das Düsseldorfer Getränk dunkles Malz. Die Erkenntnis, dass Altbier blöd macht und nur Kölsch uns in Schuss hält, wie es in einem Karnevalslied der Drei Colonias heißt, entspringt lediglich der kölschen Mentalität und lässt sich mit objektiven Fakten nicht belegen.

Säkularisiertes Gewerbe und die Gesetze des Marktes

Die Kölner interessieren sich jedoch nur dafür, wie sie möglichst günstig an ihr geliebtes Bier kommen. Wesentliche Fortschritte bei der Herstellung brachte die Industrielle Revolution. James Watt ermöglichte durch die Erfindung der Dampfmaschine eine Produktion in viel größeren Mengen und Carl von Linde sorgte mit seinen Kühlmaschinen für die passenden Temperaturen. Napoleon vollführte nach seinem Einmarsch ins Rheinland 1794 eine französische Revolution in der Wirtschaftspolitik. Die Zünfte wurden durch die Gewerbefreiheit in säkularisierten Betrieben abgelöst. Nun war die Bierproduktion endgültig den Gesetzen des Marktes unterworfen.

Um das nötige Kapital zu erwerben, gaben einige Brauereien Aktien heraus. Eine der bekanntesten Aktienbrauereien war Alteburg, die von Hirsch, dem Vorgänger der Dom-Brauerei, übernommen wurde. Während man das Bier früher in Fässern oder – wie die Milch – in Kannen transportiert hatte, ermöglichte die Bierflasche eine ständige Verfügbarkeit und eine Abfüllung in kleineren Mengen.

1918 entdeckte Christian Sünner das Potential des Begriffs „Kölsch“ und nutzte ihn erstmals in der Werbung. Seine Brauerei gehörte zu den Betrieben, die nach ihren Gründern benannt sind. Dazu zählen unter anderem Heinrich Reissdorf, Peter Josef Früh, Jean Sion, Hermann Päffgen, Peter Josef Ganser und die Familie Peters. Richmodis Kölsch erinnert hingegen an die Sagengestalt Richmodis von Aducht, die als vom Tode auferstandene Frau vergeblich um Einlaß in ihr altes Herrenhaus bat.

Die Vielfalt der Brauereien blieb von den enormen Schäden, die der Zweite Weltkrieg anrichtete, nicht verschont. Als der Krieg vorbei war, hatte sich ihre Anzahl auf zwei reduziert. 1946 wurde der Kölner Brauerei-Verband neu gegründet und in den folgenden Jahren breiteten sich die Brauereien allmählich wieder aus.

Heute können die durstigen Kölner zwischen 32 Marken wählen. Das Dreigestirn aus Reissdorf, Gaffel und Früh besitzt mit einer gesamten Jahresproduktion von rund 1,6 Millionen Hektolitern einen Marktanteil von etwa 60 Prozent. Aus finanziellen Gründen werden einige Marken als so genannter Lohnsud bei anderen Brauereien produziert. Wie sehr das Kölsch das Image der Stadt Köln geprägt hat, erkennt man daran, dass für diverse Filmproduktionen sogar fiktive Marken kreiert wurden. So gab es in einer Folge der Krimiserie „Tatort“ das „Belcher Kölsch“.

Das Brauhaus und der Köbes

Als das Wasser wegen mangelhafter hygienischer Bedingungen noch nicht so gut war wie heute, wurde das reine Bier als gewöhnliches Nahrungsmittel konsumiert. Es war für die Menschen das flüssige Brot, als das es oft bezeichnet wird. Die typische Gaststätte im Brauhaus mit Stammtisch und Theke war in den frühen Jahren unbekannt. Das Bier wurde aus Fässern gezapft, die der Brauer im Flur aufstellte.

Irgendwann erkannten die Menschen dann, dass es viel gemütlicher ist, wenn man sich gemeinsam an den Tisch setzt und während eines anregenden Gesprächs sein Kölsch trinkt. So zogen sie vom Flur in die gute Stube. Die „klassenlose Brauhaus-Gesellschaft“ vereinigte hier die unterschiedlichsten Menschen; Herkunft und Stand waren für ein paar Stunden bedeutungslos. Als verbindendes Element beschreibt der Kölner Brauerei-Verband in seiner Dokumentation das Bier: „Das Kölsch ist Treibstoff für Lebensfreude und Unterhaltung, Schmiermittel für funktionierende, gelebte Demokratie – hier kann jeder sagen, was er will, wenn er nicht zu laut wird oder singt (außer im Karneval).“

Für die Versorgung der durstigen Gäste ist der Köbes zuständig. Den ersten Beleg für eine solche Person, die mit dem Begriff „Kellner“ nur unzureichend beschrieben ist, finden wir auf einer Schreinskarte von 1180, in dem der Bierschenk Burkhard namentlich erwähnt wird. Somit gab es den ersten Köbes bereits zehn Jahre nach dem ersten Brauer, der in einem ähnlichen Dokument unter dem Namen Ezelin dokumentiert ist.

Der traditionell in blauer Jacke gekleidete Köbes, der häufig ein Geselle des Brauers war, bringt das Bier, das der Zappes vom Fass in die Gläser gefüllt hat, in einem Kranz zum Tisch. Die zylindrischen Kölschstangen mit 0,2 Liter Inhalt, die von Pils- und Weißbier-Trinkern als „Reagenzglas“ verspottet werden, sind gemäß der Kölsch-Konvention das offizielle Gefäß, aus dem das Bier getrunken wird. Damit die Besucher im Brauhaus jederzeit anstoßen können (eine Aktion, die ursprünglich dazu diente, durch überschwappende Flüssigkeit zu verhindern, dass man ein vergiftetes Getränk konsumierte), sorgt der Köbes ungefragt für Nachschub, solange man nicht als Zeichen fehlenden Durstes einen Bierdeckel auf sein Glas legt. Der Deckel, der entgegen der eigentlichen Wortbedeutung normalerweise unter dem Glas liegt, hat sich im Laufe der Zeit zu einem vielfältigen Hilfsmittel entwickelt. Er dient unter anderem als Tropfenfänger, Notizzettel, Spielzeug und Schuldschein, auf dem der Wirt die konsumierten Getränke durch Striche markiert, um später die Zeche zu kassieren. Als Kasse nutzte man damals das so genannte Thekenschaaf. In diesem scherzhaft als „Beichtstuhl“ bezeichneten Möbelstück saß ein Mann, der das Geschehen in der Kneipe überwachte, Beschwerden entgegennahm und Geld eintrieb.

Passend zum Kölsch entstanden einige kulinarische Spezialitäten. Blutwurst, die ein Kölner laut einem Lied der „Höhner“ neben dem Kölsch und einem „lecker Mädche“ zur Glückseligkeit benötigt, bildet mit Zwiebeln, Kartoffelpüree und Apfelmus („Himmel un Ääd“) sowie mit einem Roggenbrötchen den „kölschen Kaviar“. Die Gerichte gehören ebenso wie das Hämche (Eisbein) und die Reibekuchen zur „Foderkaat“ (Speisekarte) einer typisch kölschen Wirtschaft. Der „halve Hahn“, der in Köln kein Geflügel, sondern ein Brötchen mit Käse ist, erhielt seinen Namen 1880 im Brauhaus „Zum Grin“. Wie beliebt kölsche Kneipen sind, erlebten die Bewohner der Domstadt im Januar 2005, als die Schließung der Gaststätte Lommerzheim in Deutz, besser bekannt als „Lommi“, mit großer Trauer begleitet wurde.

Wortspiele: Kölsch und Kölsch

Kölsch ist heutzutage in Köln und Umgebung allgegenwärtig. Ob bei Großveranstaltungen wie dem Karneval oder bei privaten Feiern, überall ist das Kölner Nationalgetränk dabei. Im Mittelalter war der Konsum des Gerstensaftes schon so beliebt, dass das Wort „Bierbauch“ zum ersten Mal überhaupt als Beiname belegt ist. Zur rheinischen Tradition gehören die Ausflüge am Vatertag, bei denen die Männer ein Fass im Bollerwagen transportieren. Weil diese Touren früher am Namenstag von Peter und Paul (29. Juni) stattfanden, nannte man das 10-Liter-Fass „Pittermännchen“.

Sprache und Bier sind in Köln sowieso eng miteinander verbunden und heißen nicht zufällig beide „Kölsch“. Die Bierbrauer haben der Sprache einige bekannte Wörter und Redewendungen beschert, wie der Brauhaus-Führer Edmund Tandetzki (Kölsch-Ede) auf seiner Homepage feststellt: „Ob sich etwas zusammenbraut, es zappenduster wird oder ein Schaumschläger sein Unwesen treibt, ob Hopfen und Malz verloren ist und man Pech hat, immer steht das Bier Pate.“ Die Brauereien nutzen ihrerseits die sprachlichen Möglichkeiten, um ihre Produkte zu vermarkten.

Das Selbstbewusstsein der Kölner sorgt dafür, dass ihr Bier trotz einiger Krisen bei den Brauereien auch im 21. Jahrhundert in der Stadt noch so fest verwurzelt ist wie der Dom.

Quellen / weitere Informationen

Informationen des Brauereiverbandes
https://www.koelner-brauerei-verband.de

Kölsch-Net
https://www.koelsch-net.de/

Brauhaus-Wanderweg
https://www.koelner-brauhaus-wanderweg.de/

Kölsch-Ede
https://www.koelsch-ede.de/

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