Milan Sladeks große Erzählkunst ohne Worte
Pantomime – Mit Körpern und Bewegungen Bilder, Szenen, Geschichten formen
Milan Sladek, einer der renommiertesten Pantomimen weltweit, gründete in den siebziger Jahren eines der ersten Pantomime-Theaterhäuser in Europa – das Theater „Kefka“ in Köln. Nach Inszenierungen im Ausland ist Milan Sladek wieder in der Domstadt, die neben Bratislava zu seiner zweiten Heimat geworden ist.
Eben noch zeichnen unzählige, kleine Fältchen ein verschmitztes Lächeln auf das weiße Gesicht, im nächsten Moment verschwindet es und weicht einem erstaunten, mit schwarz geschminkten Lippen geformten „O“. Mit geschmeidigen Bewegungen huscht er über die Bühne, um gleich wieder aufgeschreckt zur Seite zu springen: Der Pantomime Milan Sladek erzählt eine Geschichte. Mal umrahmt von einem fulminanten Bühnenbild oder umgeben von weiteren mimischen Darstellern, aber auch allein vor schwarzen Tüchern mit weiß leuchtendem Gesicht.
„Pantomime ist absolutes Theater"
Seit seiner Jugend beschäftigt sich der gebürtige Slowake mit der hohen Kunst der mimischen Darstellung – dem Erzählen mit dem Körper. All seine Gedanken, Gefühle und Bilder bringt er ohne Worte zum Ausdruck. Dabei verwendet er das gesamte Spektrum körperlicher Darstellungsmöglichkeiten: der eigene Körper kommt genauso zum Einsatz wie Masken, Puppen, Bilder und alles, was die Bildenden Künste noch so zu bieten haben. Das gewählte Thema und die daraus entstandene Geschichte bestimmen die Materialen und Mittel. „Pantomime ist absolutes Theater. Eine Urform, die kulturell übergreifend von jedem Menschen verstanden werden kann“, so möchte Milan Sladek seine Kunst verstanden wissen. Bei der Pantomime nehmen die Bildenden Künste eine besondere Rolle ein: beide Kunstformen verbindet die Visualität. Seine Inszenierungen beachten darum auch die in der Bildenden Kunst geltenden Gesetze.
Passionierter Künstler
Milan Sladek selbst hat in seiner Jugend über die Malerei und Holzschnitzerei zur Pantomime gefunden. Beides ist ihm auch heute noch wichtig und unterstützt ihn bei der Entwicklung neuer Ideen und Themen. Aber auch Einflüsse anderer Theatergattungen und -stile werden in seinen Inszenierungen sichtbar. So beschäftigte sich der neugierige Künstler unter anderem auch mit dem traditionellen japanischen Kabuki-Theater, eine Mischung aus Tanz, Gesang und Pantomime. Und auch indische Tänze sowie die chinesische Oper erregten Sladeks Interesse. Aus den neuen Erfahrungen entwickelte er schließlich seine in Korea gefeierte Inszenierung der „Hochzeit des Figaro“.
Vorbilder und Stilfragen
Jeder Pantomime eignet sich während seiner Ausbildung einen Stil an – meist den des eigenen Lehrers oder Vorbilds. Auch Milan Sladek hat ein mimisches Idol: Jean-Gaspard Deburau, ein berühmter Pantomime des 19. Jahrhunderts. Doch anders als die meisten seiner Zunft kopiert der lebhafte Mime nicht dessen Stil. Er entwickelt beständig mit Ehrgeiz und viel Geduld seine eigenen Ausdrucksmöglichkeiten.
Pantomime – Beruf und Berufung
Insgesamt ist es ruhiger geworden in der Welt der Pantomime. „In den siebziger und achtziger Jahren war die Szene wesentlich aktiver und vielfältiger“, meint Sladek. Derzeit findet nach seiner Beurteilung in den Schulen eher Reproduktion und Weitergabe von bereits existierenden Stilen statt. Eigene Stile werden kaum entwickelt. Er sieht jedoch Anfänge einer neuen „Welle“ der Pantomime, die ähnlich wie in den siebziger Jahren von experimentellen, zumeist jungen Nachwuchspantomimen getragen wird. Der Beruf des Pantomime-Künstlers verlangt viel: Jeder ist sein eigener Autor, Regisseur und Darsteller. Nachwuchskünstlern empfiehlt der renommierte Pantomime, mit viel Ausdauer und Hingabe einen eigenen Zugang zur Kunst zu finden und daraus einen individuellen Stil zu entwickeln.
„Ein Pantomime ist Schöpfer und Material zugleich"
Siebzig Jahre Lebenserfahrung und fünfzig Jahre Berufserfahrung prägen das Schaffen des sympathischen Künstlers. Die Jahre zeigen sich in den vielen kleinen Fältchen um Mund und Augen, wenn er verschmitzt anmerkt, dass Pantomimen gerne reden. Doch seiner Kunst merkt man das Alter nicht an, obwohl er als Pantomime viel mit seinem eigenen Körper arbeitet. In jungen Jahren war er beinahe verschwenderisch in der Bewegung als Bühnenfigur. Mit dem Älterwerden sind auch die Bewegungen gereift und präziser in der Ausführung geworden. „Ich trete nicht mit meinem jüngeren Ich in Konkurrenz. Auch in der Kunst hat jedes Lebensalter seine Vorteile und bietet andere, neue Möglichkeiten“, so beschreibt Sladek sein Verhältnis zum Alter. Ein Pantomime ist Schöpfer und zugleich das Material seiner Kunst. So halten den vielseitig interessierten Künstler sein künstlerisches Schaffen sowie die Anregungen und Erfahrungen geistig und auch körperlich fit. Natürlich sind den Darstellungsmöglichkeiten durch den Körper Grenzen gesetzt. Jede Kunstform hat ihre Grenzen. Sladek versteht diese jedoch als Chance, die seine Kreativität zusätzlich anspornt.
„Theater findet nicht auf der Bühne statt"
Bei so viel Engagement auf den Bühnen der Welt bleibt nicht viel Zeit für den privaten Milan Sladek. Doch dies empfindet der passionierte Pantomime nicht als störend: „Pantomime und Theater sind ein Teil meiner Persönlichkeit und daher nicht von der Privatperson zu trennen. Meine Gedanken und Erfahrungen beeinflussen meine Kunst, sowie meine Kunst wiederum meine Interessen und Themen beeinflusst, mit denen ich mich beschäftige.“ Langeweile kennt Milan Sladek nicht. Selbst wenn er dasselbe Stück mehrmals aufführt, kommt keine Routine auf. Die stille aber intensive Kommunikation mit den Zuschauern lässt jede Vorstellung anders erscheinen. Der Pantomime beobachtet die Reaktionen des Publikums genau und passt sein Spiel entsprechend an. „Theater findet nicht auf der Bühne statt, sondern zwischen dem Künstler und seinem Publikum“, veranschaulicht der begeisterte Mime mit ausladenden Armbewegungen.
Die Vorstellung geht weiter
Für die kommenden Jahre plant Sladek bereits viele neue Projekte: sein Jubiläumsfestival in Köln mit einem neuen Soloprogramm, weitere Aufführungen in Japan, die Inszenierung der „Hochzeit des Figaro“ auf Malta und einige mehr. Dann ist Milan Sladek wieder auf den Bühnen zu sehen: Mit weißem Gesicht und vollendet komponierten Bewegungen erzählt er uns wortlos großartige Geschichten.
Katja Grüschow

Pantomimen reden selten aber gerne
Hier hören Sie Milan Sladeks Auffassung zu Köln, Pantomime und Nachwuchskünstlern.
Podcast mit Milan Sladek:
Vita von Milan Sladek
1938 |geboren in der Slowakei | |
1957 |Abitur an der Kunstfachschule in Bratislava, Schwerpunkt Holzschnitzerei | |
1957-1960 |Schauspiel-Studium an der Akademie für Musische Künste, Bratislava und am Studio des Prager Theaters D34 bei E. F. Burian | |
1959 |Engagement am Prager Theater D34 | |
1961-1964 |Engagement am Slowakischen Nationaltheater, Bratislava, Beginn der Auslandstourneen | |
1963 |Auszeichnung durch den Prager Kultusminister für seine experimentelle künstlerische Arbeit | |
1968 |Übernahme der Leitung des Theaterstudios in Bratislava | |
1968 |Übersiedlung nach Schweden wegen Schließung des Pantomimentheaters aufgrund der politischen Entwicklungen | |
1970 |Übersiedlung nach Köln | |
1974 |Eröffnung des „Theater Kefka“ in Köln als einziges Festansässiges Pantomimentheater Westeuropas | |
1976-1987 |Initiierung und Veranstaltung des 1. Internationalen Pantomimenfestivals „Gaukler“ in Zusammenarbeit mit der Stadt Köln | |
1987-1992 |Professur an der Folkwang-Hochschule in Essen | |
1994-2002 |Direktor des Theaters „Arena“, Internationales Institut für Bewegungstheater, Bratislava | |
1996-2002 |Internationales Pantomimenfestival Kaukliar’96 in Bratislava | |
2000 |Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse durch den damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau | |
seit 2002 |Inszenierungen und Mitwirkung bei Festivals weltweit | |