Die Kölner Haie - auch auf Glatteis kämpferisch
Die Liste der Erfolge der Kölner Haie ist lang: acht deutsche Meistertitel, Pokalsieger 2004, Spengler-Cup-Gewinner 1999 und zwei zweite Plätze im Europapokal. Was sich liest wie die Erfolgsgeschichte einer der bedeutendsten deutschen Eishockeyvereine, ist aus heutiger Sicht vor allem die Vorgeschichte. Die Gegenwart der Kölner Haie ist zu einer Schlitterpartie geworden – nicht nur auf dem Eis.
Zum sportlichen Misserfolg in den letzten zwei Jahren kam 2010 zu allem Überfluss auch noch eine finanzielle Misere, die die Existenz der Haie in Gefahr gebracht hat. Dabei ist der Kölner Eishockey Club „Die Haie“ ein recht junger Verein. Zwar ist die Sportart bereits seit den 30er Jahren in Köln angesiedelt, den KEC gibt es aber erst seit August 1972. Seine Gründung sollte die letzte Rettung für das Eishockey in Köln sein und entwickelte sich jahrzehntelang zu einer Erfolgsgeschichte.
Ursprünglich war Eishockey in Köln im KEK, dem Kölner Eis-Klub, beheimatet. Dieser widmete sich aber eher anderen Kufensportarten, wie dem Eiskunstlauf. Eishockey geriet bei der Vereinsführung völlig ins Hintertreffen. Ende der 60er noch in der 1. Bundesliga, stieg man als Konsequenz der Nichtbeachtung im nächsten Jahr wieder in die Oberliga ab. Die Eishockey-Verantwortlichen des KEK konnten das Abdriften des Vereins in die Bedeutungslosigkeit nicht mit ansehen. In einer Sitzung mit etwa 80 Teilnehmern im Clubhaus an der Lentstraße wurde am 10. August 1972 die Abspaltung der Disziplin Eishockey vom KEK beschlossen. Die Verantwortlichen Günter Peters und Detlef Langemann wollten neue Wege gehen. Sofort bemühte man sich um frische Strukturen, vor allem im Mannschaftsaufbau.
Neueinkäufe aus Kanada und von anderen deutschen Spitzenclubs brachten schnell den erhofften Erfolg: Zur Saison 1973/74 fanden sich die Haie in der Bundesliga wieder, wo sie im ersten Spiel ausgerechnet auf den Dauerrivalen Düsseldorfer EG (DEG) stießen und dieses Derby auch noch knapp mit 2:3 verloren.
Leicht waren die Anfänge in der Bundesliga nicht. Neben durchschnittlichen sportlichen Leistungen war der KEC in dieser Zeit stets für negative Schlagzeilen neben der Eisfläche gut. Die Vereinsspitze trug ihre Querelen in die Öffentlichkeit, der einstige Mitbegründer Peters verschwand spurlos und ward nicht mehr gesehen. Der damalige Trainer Ondrej Bendik wurde abgeschoben, um kein Jahr später wieder zurückgeholt zu werden. Ein regelrechtes Chaos, in dem jeder froh war, zum Saisonende gerade so den Klassenerhalt geschafft zu haben.
Neue Wege zum Erfolg
Ähnlich verliefen die Folgejahre. Über das Tabellenmittelfeld kam man nicht hinaus und es bahnte sich nach einigen Fehleinkäufen eine Finanzkrise an.
1976 bekamen die Haie mit Dr. Jochen Erlemann einen neuen Präsidenten. Dieser ging voll auf Angriff und wagte einen kostspieligen und hart erkämpften Spielertransfer. Erlemann holte den Eishockeystar der olympischen Spiele von Innsbruck in die Rheinmetropole: Erich Kühnhackl. Zusammen mit dem kölschen Eishockeyidol Udo Kießling und weiteren Neuzugängen aus den USA, spielte man sich in die Spitze der Bundesliga. Allerdings blieb die finanzielle Situation angespannt, so dass dem KEC beinahe die Spiellizenz entzogen wurde. Erlemann löste aber auch dieses Problem. Er erhob einen Eintrittskartenzuschlag, den so genannten Sanierungszuschlag, und konnte damit die größte Finanzkrise abwenden.
So feierte man 1977, nach einem Sieg über den Krefelder EV, endlich den ersten deutschen Meistertitel. Alle Sorgen waren vorläufig vergessen, erst recht, als man zwei Jahre später gleich den nächsten Titel holte.
Die 80er Jahre begannen mit einem großen Eishockey-Skandal in Deutschland. Ausländische Spieler waren mit Wissen ihrer Vereine mit gefälschten Spielerpässen am Start. Als dieser Betrug aufflog, mussten die Vereine Konsequenzen tragen. So auch der KEC, der zum Saisonende 1980/81 Punkte aberkannt bekam und somit, anstatt um die Meisterschaft gegen den Abstieg spielte. Die Haie hielten letztendlich die Klasse und spielten sich mehr schlecht als recht bis zur Saison 1983/84 durch die Liga.
In den Folgejahren schlugen die Haie dann richtig zu. Der Meistertitel 1984 ging an die Lentstraße. Mit Stars wie Truntschka, Hegen und Kießling feierte man daraufhin einen einzigartigen Erfolg: den Meisterschafts-Hattrick, drei Meistertitel in Folge in den Jahren 1986, 1987 und 1988. Die Eishockey-Leidenschaft der Kölner war endgültig entflammt. Allerdings blieb ein vierter Titel in Folge verwährt. Dennoch halten die Kölner Haie bis heute einen Rekord: Neun Play-Off-Halbfinalteilnahmen hintereinander.
Trotz dieser erfolgreichen Zeit manövrierte sich der KEC Anfang der 90er wieder in die roten Zahlen und es drohte 1993/94 das komplette Aus, auch wenn die sportlichen Leistungen weiterhin gut waren.
Die Rettung kam mit der Einführung der neuen Deutschen Eishockeyliga (DEL) zur Saison 1994/95. Vereine durften als GmbH auftreten und waren von nun an Kapitalgesellschaften. Hauptgesellschafter der neuen Eishockey-Gesellschaft „Die Haie“ wurde Hermann Göttsch. Zusammen mit Bernd Schäfer, der den Verein schon seit vielen Jahren unterstützte, führte Göttsch den KEC aus der Wirtschaftskrise. Die neu gegründete GmbH war wieder flüssig, Spielereinkäufe erneut möglich. Stars wie Michael Rumrich, Peter Draisaitl und vor allem US-Star Jeremy Roenick kamen nach Köln. Mit diesen Spielern wurde der KEC der erste deutsche Meister der neuen Profiliga.
Eine Saison später traf man im Play-Off-Finale auf den Erzrivalen DEG – und verlor. Auch im internationalen Geschäft blieb nur der Vize-Titel: Im Finale des Europapokals musste man sich Jokerit Helsinki im Penalty-Schießen geschlagen geben.
Umzug in die Kölnarena
1998 begann ein weiteres Kapitel in der Haie-Geschichte. Der KEC zog um, von der Lentstraße nach Deutz in die neu erbaute Kölnarena. Am 11. September wurde die Eishockeysaison in der neuen Spielheimat der Haie eröffnet. Nun brach der KEC gleich zwei Rekorde: Die Kölnarena war nicht nur das größte Eishockeystadion Deutschlands, es wurde auch im ersten Spiel gleich ein Zuschauerrekord gebrochen. Knapp 17.000 Fans kamen in die Arena, so viele Zuschauer hatte es noch nie zuvor bei einem Eishockey-Match innerhalb Europas gegeben. Trotz der neuen Spielstätte, die immer mehr Eishockey-Euphorie in Köln auslöste, schafften die Haie in diesem Jahr nicht den Einzug in die Finalrunde der Play-Offs. In einem historischen Match mit 20-minütiger Overtime verloren sie im Penalty-Schießen gegen die Frankfurt Lions.
Ein Jahr später gelang den Haien aber ein besonderer Triumph. Trainer Lance Nathery hatte gute Kontakte in die Schweiz, wo seit 1923 jährlich der Spengler Cup ausgetragen wird. Dieser Cup ist das weltweit größte Eishockeymannschaftsturnier. Gastgeber HC Davos lädt dazu jedes Jahr Spitzenclubs aus Europa und Nordamerika ein. 1999 ging dank Nathery auch eine Einladung an den KEC. Gegen den russischen Top-Verein Metallurg Magnitogorsk feierten die Kölner den ersten Sieg eines deutschen Teams beim Spengler Cup seit 35 Jahren.
Bis zum Jahr 2002 mussten die Haie nun auf den nächsten großen Erfolg warten. Mit Stars wie McLlwain, Lüdemann, Schlegel, Renz, Boos und Hicks holte die Mannschaft im Play-Off-Finale gegen die Mannheimer Adler den achten und vorerst letzten deutschen Meistertitel in die Rheinmetropole.
Aber einen großen Erfolg gab es danach noch. In der Saison 2003/2004 wurde man erstmals DEB-Pokalsieger. Nebenbei stellte das kölsche Eishockey wieder einmal neue Rekorde auf: In dieser Saison wurden 6.500 Dauerkarten verkauft und der Zuschauerschnitt lag bei 12.888. Beeindruckende Zahlen, die nur die Eisbären Berlin neuerdings übertreffen.
Schmerzliche Abgänge
Die Saison 2005/2006 war unter mehreren Gesichtspunkten dramatisch. Im Playoff-Halbfinale wartete die DEG, und die beiden Teams lieferten sich heiße Kämpfe auf dem Eis – mit dem besseren Ende für die Rivalen. Mit einer 3:5 Niederlage im letzten und entscheidenden Spiel, mussten die Haie die ersehnte Finalteilnahme streichen. Zum Ende der Saison gab es auch noch traurige Abschiede zu vermelden. Trainerlegende Hans Zach verließ nach vier Jahren den Verein, genauso wie die Top-Stars Alex Hicks und Brad Schlegel. Hicks musste seine Karriere verletzungsbedingt beenden und Schlegel wechselte zu den Hannover Scorpions. Dies war ein herber Verlust für den Verein, da Schlegel nicht nur spielerisch top war, sondern auch zu den Sympathieträgern gehörte.
Mirko Lüdemann bestritt in dieser Saison übrigens sein 691. Spiel für die Haie und wurde „Haie-Rekordspieler“. Die schmerzlichen Abgänge von Hicks und Schlegel konnten zumindest Sportlich kompensiert werden. Mit dem Kanadier Bill Lindsay kam ein Top-Scorer an den Rhein. Allerdings nahmen die Spielerabgänge kein Ende. Zur Saison 2006/2007 hieß es auch ohne Edi Lewandowski auszukommen, und viel betrüblicher, ohne Torwarttalent Thomas Greiss. Greiss spielte sich innerhalb einer Saison nicht nur in die Stammformation der Haie, er wurde obendrein 2006 auch in den Nationalkader aufgenommen und zeigte auf internationaler Ebene vor allem bei den olympischen Spielen in Turin tolle Leistungen. Kein Wunder also, dass ihm eine große Karriere bevorstand und er die Gelegenheit nutzte, in die NHL zu gehen.
Natürlich erreichten die Haie auch in der Saison 06/07 die Playoffs. Gegen die Mannheimer Adler hatten sie dieses Mal aber keine Chance. Nach drei Niederlagen war der Traum vom neunten Titelgewinn zu Ende geträumt. In der darauf folgenden Saison kam der KEC dem Titel sogar noch ein Stückchen näher. Erst im Playoff-Finale unterlag er den Eisbären Berlin und konnte deshalb eine insgesamt erfolgreiche Saison nicht krönen. Der undankbare Titel des Vize-Meisters war der letzte große Erfolg der Haie.
Die nächsten Jahre sollten dann zu den schlimmsten der Vereinsgeschichte werden. Erstmals seit 27 Jahren verpassten die Kölner die Playoffs. Selbst zwei Trainerwechsel während der Saison konnten nicht verhindern, dass der KEC die Saison auf dem vorletzten Platz beendete. Zudem bahnten sich gegen Ende der Spielzeit auch schwerwiegende wirtschaftliche Probleme an. Der langjährige Mäzen Heinz Hermann Götsch kündigte seinen Rückzug an, die weltweite Wirtschaftskrise ging auch an den Haien nicht spurlos vorüber, und zu allem Überfluss gingen auch noch die Zuschauereinnahmen im Zuge des sportlichen Misserfolgs dramatisch zurück.
Es war ein enormer Kraftaufwand, neue Investoren zu gewinnen, um den Verein wieder zu stabilisieren. Geschafft haben es die Verantwortlichen trotzdem, zumindest vorübergehend.
Im Vorfeld zur neuen Saison hatten die Kölner dann aber auch noch einen emotionalen Tiefschlag zu bewältigen: Torhüter Robert Müller erlag im Mai seinem langjährigen Krebsleiden. Zum Gedenken soll seine Rückennummer 80 in Zukunft nicht mehr vergeben werden.
Für die Saison 09/10 wurde mit Igor Pavlov ein neuer Mann an der Bande präsentiert. Es sollte trotz aller Geschehnisse so etwas wie Aufbruchstimmung erzeugt werden, doch das katastrophale Vorjahr wurde sogar noch im negativen Sinne übertroffen. Schon im Dezember übernahm Bill Stewart das Ruder und schaffte es, die Mannschaft mit hauchdünnem Vorsprung auf Platz zehn zu führen und somit die Teilnahme an den Playoffs zu sichern. In der ersten Runde war allerdings schon Schluss, nachdem man sich in einer spannenden Serie Ingolstadt geschlagen geben musste.
Der sportliche Fortschritt gegenüber dem Vorjahr rückte aber komplett in den Hintergrund, als sich Ende Februar 2010 Geschäftsführer Thomas Eichin an die Öffentlichkeit wandte und erklärte, dass der KEC kurz vor dem Bankrott stünde. Schnell musste Geld her, da ansonsten ein Insolvenzverfahren drohte.Was folgte, ist ein Paradebeispiel für die große Solidarität der Kölner. So genannte „Retter“-T-Shirts verkauften sich zu tausenden, die Stadt Köln half trotz klammer Kassen genauso wie verschiedene Vereine und Investoren der Region, darunter auch der 1. FC Köln. Der Spielbetrieb konnte so mit Mühe und Not aufrechterhalten werden.
Ein weiteres Mal also sind die Haie den Fängen der Wirtschaft entflohen. Sportlich führt der Weg derzeit aber unaufhaltsam in eine Sackgasse. Der als Trainer und Manager in Personalunion agierende Bill Stewart hatte seinem Kader vor der Saison zwar eine Rundumerneuerung verpasst, nach einem katastrophalen Saisonstart rangiert der KEC im Oktober 2010 jedoch auf dem letzten Tabellenplatz der DEL. Die Haie bewegen sich also nach wie vor auf Glatteis.
Um nicht erneut auszurutschen oder gar komplett unterzugehen, werden die Haie vor allem auf dem Eis wieder ihre Zähne zeigen müssen. An der sportlichen Wende wird zurzeit akribisch gearbeitet. Sollte sie gelingen, könnte man auch wirtschaftlich wieder ruhigere Gewässer ansteuern und die Zukunft des Eishockeys in Köln sichern.
Daniela Steins
Daten und Fakten zu den Kölner Haien
Kontaktdaten:
Geschäftsstelle:
KEC Kölner Eishockey Gesellschaft „Die Haie" mbH
Haie-Zentrum
Gummersbacher Straße 4
50679 Köln (Deutz)
Tel. 0221-27 95 0
Fax: 0221-27 95 50
info@haie.de
Homepage der Kölner Haie
Gründung: 10. August 1972 , nach Spaltung vom Kölner Eishockey Klub
Erfolge:
Deutscher Meister: 1977, 1979, 1984, 1986, 1987, 1988, 1995, 2002
Europapokal: 2. Platz 1985 und 1996, 3. Platz 1989
Spengler Cup: 1. Platz 1999
Geschäftsführer: Thomas Eichin und Heinz Hermann Göttsch
Eishalle:
Seit 1998: Kölnarena
Kontakt:
Kölnarena Management GmbH
Willy-Brandt-Platz 3
50679 Köln
Tel. 0221-802 1
Fax: 0221-802 2299
Fassungsvermögen zu Eishockeyspielen: 18.500
Durchschnittliche Zuschauerzahl pro Heimspiel: ca. 12.500 (Nummer eins in Deutschland)
Trainingszentrum:
Kölnarena 2
Gummersbacher Str. 4
Köln-Deutz
Trainingseinheiten der Kölner Haie sind in der Regel öffentlich.
Trainingszeiten der Haie
Derzeitiger Trainer: Doug Mason
Maskottchen: Sharky, der Hai
"Hicks for Kids"
Der ehemalige Stürmerstar der Haie, Alex Hicks, hat im Oktober 2003 zusammen mir seiner Frau Sarah die „Alex Hicks Initiative“ gegründet. Diese hat sich der Idee verschrieben, gesundheitlich und sozial benachteiligten Kindern durch gezielte Aktionen zu helfen und besondere Freuden zu bereiten. Die Initiative fand von Beginn an großen Anklang beim ganzen Haie-Team, so dass sie auch jetzt, nachdem Hicks und seine Familie wieder in seiner Heimat Kanada leben, weitergeführt wird.
Die Haie haben in den letzten vier Jahren einiges bewirkt. Sie übernahmen Patenschaften für Kinder oder Kindereinrichtungen, besuchten Kinder in Krankenhäusern, riefen Spenden-/ Sammelaktionen ins Leben, unterstützten Freizeiteinrichtungen für Kinder und luden Kinder zu Heimspielen ein.
„Hicks for Kids“ ist eine bemerkenswerte Initiative, die durch ein ganzes Sportlerteam getragen wird und die nicht in Vergessenheit geraten sollte.