Das Wahrzeichen Ehrenfelds: Der Heliosturm
Nichts repräsentiert den Stadtteil Ehrenfeld so sehr, wie der Heliosturm in der Heliosstraße. Der 44 Meter hohe Leuchtturm ist der einzige in NRW und ein Überbleibsel aus der Zeit, als Ehrenfeld noch ein wichtiger Industriestandort war.
Der einzige Leuchtturm Nordrhein-Westfalens steht in Köln-Ehrenfeld – und dabei ist weit und breit kein Gewässer in Sicht. Der Turm ist ein Relikt der Helios AG, einem ehemaligen, auf Elektrizität spezialisierten Industrieunternehmen.
Auch wenn die Helios AG schon lange der Vergangenheit angehört, ist der Turm geblieben - und mit den Jahrzehnten zum Wahrzeichen des Veedels geworden: Er ist auf T-Shirts, Postern und fast auf jedem Kölner Instagram-Profil zu sehen. Kleiner als der Fernsehturm und alle anderen Hochbauten der Stadt, ist er doch ein prominenter Teil der Skyline Kölns - und für viele Ehrenfelder das Symbol für Heimat und Nachbarschaft schlechthin.
Dem Leuchtturm, der tatsächlich zu keinem Zeitpunkt eine Funktion als Seezeichen erfüllte, liegen dabei eine clevere Marketingstrategie sowie der Aufstieg und der Fall einer Firma zu Grunde, die „Pionierarbeit auf dem Gebiet der Elektrizität” (1) leistete.
Die Helios AG
Die Helios AG wurde 1882 gegründet, sechs Jahre bevor der damalige Kölner Vorort Ehrenfeld überhaupt in die Stadt eingegliedert wurde. Damals siedelten sich im Zuge der anhaltenden Industrialisierungen vielerlei Unternehmen im Stadtteil an, die diesen bis heute prägen - wenn auch keines so sehr wie die Helios AG.
Die Firma ging aus der „Gesellschaft für electrisches Licht und Telegraphenbau Barthel Berghausen und Cie” hervor und entwickelte sich rasch zu einem der fortschrittlichsten Unternehmen der Beleuchtungstechnik Europas. Immerhin geht der Name „Helios” auf den griechischen Sonnengott zurück, was die Messlatte für die Arbeitsqualität natürlich schon recht hoch ansetzte.
Einige der größten Errungenschaften des Unternehmens waren die Einführung der Parallelschaltung und die Ausführung ganzer Elektrizitätswerke nach dem Wechselstromsystem - bereits 2 Jahre nach ihrer Gründung lieferte die Helios AG Strommaschinen für die elektrische Zentralstation Amsterdams. Zukünftig sollte das Unternehmen seine Apparate und Maschinen auch nach Italien und Rumänien sowie nach Südamerika und Afrika liefern.
Durch diese Erfolge konnte sich das Unternehmen rasch vergrößern und zählte bereits um die Jahrhundertwende herum 2300 Mitarbeiter. Etwa zur selben Zeit verfügte die Ehrenfelder Firma auch über eine eigene Abteilung für den Bau, die Beleuchtung und die Ausrüstung von Straßenbahnen inklusive eines eigenen Versuchsgeländes.
Ein Leuchtturm für Köln-Ehrenfeld
Ein weiteres Steckenpferd der Helios AG - und hier beginnt sich der Kreis zu schließen - war die Konstruktion und die Befeuerung von Leuchttürmen. Unter anderem produzierte Helios die Leuchtfeuer von Borkum, Wangerooge sowie Kampen auf Sylt - auch das gesamte Signalsystem des Nord-Ostsee-Kanals, das immerhin aus zwanzig einzelnen Leuchtzeichen besteht, stammt aus den Hallen des Ehrenfelder Unternehmens. Um die Beleuchtung der Türme zu testen, Griff die Helios AG bis 1885 auf eine recht bescheidene Versuchsanlage zurück, die sie dann schließlich durch den repräsentativen Leuchtturm ersetzte. Dieser diente jedoch nicht nur praktischen Zwecken, sondern sollte fortan auch als Wahrzeichen des Unternehmens fungieren - ein Marketingstreich zu Zeiten also, als Marketing noch Werbung hieß.
Der Heliosturm misst in Gänze 44 Meter, wobei das rechteckige Sockelgebäude bereits 12 Meter der Gesamthöhe ausmacht. Auf diesem Sockel befindet sich der eigentliche Turm, der aus rotem Backstein erbaut wurde und nach oben hin schmal zuläuft, bis er in der eisernen Plattform für das Leuchtfeuer samt Blitzableiter mündet. Das heutige Lampenhaus stammt aus dem Jahr 1996 und wurde im Rahmen von Sanierungsarbeiten angefertigt, nachdem der Heliosturm viele Jahre lang weder betrieben noch instand gehalten wurde.
Das Ende der Helios AG
Der Grund dafür liegt in den roten Zahlen, welche die Helios AG trotz ihrer anfänglichen Erfolge zu schreiben begann: So schnell das Unternehmen zu einem wichtigen Pionier der Elektrizitätstechnik wurde, so schnell gingen die Lichter auf dem Werksgelände auch wieder aus. Bereits 1900, acht Jahre nach ihrer Gründung, wird die Helios AG von einem Konjunktureinbruch ins Schwanken gebracht. Auch der Bau der Oberleitungen für die elektrischen Straßenbahnen Kölns, die das Unternehmen gemeinsam mit den Firmen Siemens und Halske baute, konnte das Schicksal nicht abwenden: Durch eine sinkende Nachfrage und wirtschaftliche Fehlentscheidungen erlitt die Helios AG trotz Leuchtturm finanziellen Schiffbruch.
Nach einer kurzen Umbenennung in „Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft” (AEG), meldete die Helios AG 1905 Konkurs an. Die Liquidation des Unternehmens zog sich anschließend noch viele schmerzvolle Jahre dahin, bis die Pforten des Ehrenfelder Industriemoguls 1930 endgültig und ein für alle Mal ins Schloss fielen.
Der Heliosturm heute
Nach den Restaurierungen in den 90er-Jahren brannte im mittlerweile denkmalgeschützten Leuchtturm wieder Licht - wenn auch nur sehr gedimmt. Inzwischen ist das Leuchtfeuer des Turms erneut erloschen, das Wahrzeichen des Veedels ist er dennoch geblieben. Immerhin ist er nicht nur ein schweigender Zeitzeuge der Ehrenfelder Geschichte, sondern auch ein skurriles Unikat: Neben den Leuchttürmen von Moritzburg und Lindau ist der Heliosturm der einzige Binnenleuchtturm Deutschlands - erfüllte aber anders als diese beiden nie den Zweck, tatsächlich als Signalgeber für Schiffe zu fungieren. Vom Rhein aus ist er schließlich nicht zu sehen, das nächste große Gewässer wäre das niederländische IJsselmeer. Und das ist rund 200 Kilometer weit vom Heliosturm entfernt - Luftlinie, wohlgemerkt.
Und noch eine enttäuschende Nachricht zum Schluss: Öffentlich zugänglich ist der Heliosturm leider nicht.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Maubach, Johannes: Auf den Spuren der alten Ehrenfelder Industrie, Heinz Flock GmbH, 2005.
Leuchtturm Heliosturm auf deutsche-leuchtfeuer.de (Stand 16.02.2022) : http://www.deutsche-leuchtfeuer.de
Über den Autor
Florian Eßer ist in Köln geboren und aufgewachsen. Nach einem Studium der Germanistik arbeitet er nun als freier Journalist und Autor in seiner Heimatstadt. Besonders schätzt er die Vielfältigkeit Kölns, die über Karneval und lecker Kölsch hinausgeht – wenn man genauer hinsieht.