Dennis Josef Meseg: Unternehmer, Künstler, Katzenfreund
So eigenwillig die Kunst von Dennis Josef Meseg ist, so unkonventionell liest sich auch der Lebenslauf des 42-Jährigen: Vom Schulabbrecher, der zwischenzeitlich sogar im Zelt lebte, entwickelte sich Meseg zu einem erfolgreichen Unternehmer und Künstler, der es mit seinen Installationen auch in die internationalen Medien schaffte. Die märchenhafte Geschichte eines kreativen Kopfes.
Spätestens seit der Corona-Pandemie ist der Künstler Dennis Josef Meseg nicht mehr aus der Kunstszene wegzudenken. Während das Leben in den Großstädten Deutschlands still stand, sorgte seine Installation „It is like it is” über die Grenzen der Bundesrepublik hinweg für Aufsehen: Meseg platzierte über 100 Schaufensterpuppen an Plätzen des öffentlichen Lebens, gehüllt in rot-weißes Absperrband.
Dieses symbolisiert die Distanzierung der Menschen voneinander, die statischen Puppen selbst die Stagnation in Gesellschaft und Kulturbetrieb: „Die Installation zeigt den hohen Stellenwert der Kunst, die schon im Alltag wichtig und wertvoll ist”, erklärt der Künstler, „in solchen Zeiten aber wird sie zu einem kostbaren Element im Überlebenskampf der Gesellschaft.”
Für sein Projekt wurde der Student der Alanus-Hochschule mit dem CREO-Preis der Deutschen Gesellschaft für Kreativität ausgezeichnet. Dabei hat seine künstlerische Karriere erst vor wenigen Jahren wirklich begonnen.
„Ich habe vier Monate lang im Zelt geschlafen”
Dennis Josef Meseg lebt und arbeitet heute in Wesseling, zwischen Köln und seiner Geburtsstadt Bonn. Hier kommt Meseg 1979 zur Welt und entdeckt wenige Jahre später zwei seiner Talente, die ihn sein gesamtes Leben über begleiten sollen: seinen Unternehmergeist und seine kreative Ader. Früh beginnt Meseg damit, beide Aspekte zu verbinden: Als Kind bemalt er Steine mit bunten Mustern und bastelt für seine eigene Tombola Lose, die er in der Nachbarschaft verkauft oder auf Flohmärkten an die Kunden bringt: „Als Kind hatte ich alles, was ich brauchte, aber irgendwie hatte ich damals schon so ein Businessdenken”, erinnert sich Meseg heute amüsiert.
In seiner Jugend aber kommt es zum Bruch. Meseg verlässt die Schule ohne Abitur und im Alter von 17 Jahren sein Elternhaus. Mittellos, alleine. Zunächst kann er bei Freunden unterkommen, bald aber schläft der Jugendliche im Zelt: „Ich habe es an einem Waldrand in Sechtem aufgeschlagen, mitten im Winter.”
Vier Monate lang verbringt Meseg die Nächte im Wald, wärmt sich an einem Lagerfeuer und freundet sich mit einer streunenden Siamkatze an: „Sie stand eines Tages vor mir und kehrte dann jeden Abend zurück”, erzählt der Tierfreund, der sich auch noch heute zwei Katzen hält: „Morgens ist sie immer losgezogen und hat ihr Ding gemacht – wahrscheinlich, weil ich ja selber nichts zu essen hatte.”
Bald aber muss Meseg auch den Sechtemer Wald verlassen; immer wieder beschädigen Randalierer seine Schlafstätte, urinieren in das Zelt und schlitzen schließlich dessen Dach auf: „Dann habe ich in einer Gartenlaube und in einem Wohnmobil geschlafen”, erinnert er sich, „die Katze aber hat mich auch dorthin begleitet.”
Das Wohnmobil, wie übrigens auch die Gartenlaube, jedoch gehörte Meseg nicht; als er eines Nachts mit der Katze durch Sechtem stromerte, probierte er die Türe des Wohnwagens aus, die tatsächlich nicht abgeschlossen war: „Zwei, drei Tage lang ging das dann gut, aber irgendwann hing ein Zettel an der Tür, auf dem stand, dass die Katze und ich nicht mehr im Wohnmobil schlafen dürfen.”
Die Besitzer hatten Mesegs Habseligkeiten eingesammelt, die er sich dann bei ihnen abholen musste: „Ich habe mich entschuldigt und es war auch alles in Ordnung – nur musste ich dann wieder weiterziehen.”
„Ich habe in der Uni geputzt, an der ich heute studiere”
Meseg kommt wieder auf die Beine und findet zu seinem geschäftsmännischen Kampfgeist zurück: „Ich bin mit einem Lappen und einem Putzeimer auf dem Fahrrad losgefahren und habe Flyer verteilt, auf denen ich mich als Reinigungskraft angeboten habe”, erzählt Meseg von seinen ökonomischen Anfängen.
Mit gerade einmal 19 Jahren betreibt er schließlich eine Firma für Gebäudereinigung, putzt unter anderem in der Alanus Hochschule, an der er heute selbst studiert: „Als ich mich selbstständig gemacht habe, reihten sich die Businessmodelle irgendwie aneinander”, erzählt er.
So entwickelt Meseg zu jener Zeit die Idee, eine Online-Plattform ins Leben zu rufen, die Zimmer an Monteure vermittelt. Die nötigen Kenntnisse für die Programmierung bringt er sich mit Hilfe des Internets nach der Arbeit selbst bei: „Ich habe nachts bis drei, vier Uhr daran gesessen, bis ich auf dem Bildschirm vor lauter Müdigkeit nichts mehr lesen konnte”, so Meseg, „dann habe ich ein paar Stunden geschlafen und weiter gearbeitet.”
Parallel aber verfolgt er noch ein anderes Geschäftsmodell: „Ich bin in den Wald gefahren, habe Efeu, Farne und Kräuter gesammelt, eingetopft und über Ebay verkauft”, erzählt der Künstler lachend: „Viele haben mich damals bei sich putzen lassen, ohne mich im Anschluss zu bezahlen. Dadurch habe ich Biss entwickelt und mir immer Neues einfallen lassen.”
Vom Ebay-Händler zur ersten Ausstellung in Paris
Bald schon verkauft Meseg nicht mehr nur gepflückte Wildpflanzen über das Internet, sondern bietet auch kleine Kunstwerke auf Ebay an, die er in seiner wenigen Freizeit malt - mit Erfolg: Wie das Schicksal es will, stolpert der Direktor der Pariser Generalbank über die Arbeiten des jungen Künstlers, der zusammen mit seiner Frau eine Sammlung zeitgenössischer Kunst unterhält. Er nimmt die Werke des Bonners in seine Sammlung auf und organisiert für Meseg die Teilnahme an einer Gemeinschaftsausstellung in der französischen Hauptstadt: „Ich habe aber komplett das Thema der Ausstellung verfehlt, weil ich kein französisch spreche”, lacht der Künstler.
Das Thema lautete „dessins”, Zeichnungen also, doch brachte Meseg stattdessen Gemälde mit nach Paris: „Der Direktor hat dann meine Arbeiten aus seiner Sammlung ausgestellt, an denen dann schon ein roter Punkt klebte, weil sie ja bereits verkauft waren.”
Wie Meseg erklärt, steigerte dies das Interesse der Besucher an seiner Kunst erheblich: „Sie wollten wissen, warum ausgerechnet von diesem Künstler bereits alle Bilder verkauft waren”, erzählt er, „da gab es dann schon einen kleinen Hype.”
Meseg ist gerade 20 Jahre alt, als er seine ersten Erfolge als Künstler feiert. Doch rückte die Kunst nach dieser Ausstellung in Paris zunächst wieder in den Hintergrund: „Damals standen sich der Künstler und der Geschäftsmann oft im Weg”, weiß der Unternehmer heute, „wenn ich mit der Kunst erfolgt hatte, wollte ich wieder Business machen und anders herum.”
Mittlerweile aber, so Meseg, hätten die beiden Seiten seiner Persönlichkeit zusammengefunden: „Ich würde sagen, dass sie sich sogar gegenseitig brauchen”, erklärt er.
Auch heute noch betreibt Meseg seine Zimmervermittlung für Monteure, doch ist sein Unternehmen seit damals deutlich gewachsen und inzwischen auch in den österreichischen Markt expandiert: „Wir sind in der Mediengestaltung tätig und setzen eigene Webprojekte um”, erklärt der Gründer, „wir basteln also keine Websites für Dritte, sondern realisieren unsere eigene Ideen.”
So erfolgreich Meseg als Unternehmer auch ist, seinen Drang zur künstlerischen Entfaltung hat er nie verloren: „Irgendwann habe ich mir gewisse Freiräume erarbeitet und mich aus dem Tagesgeschäft des Unternehmens zurückgezogen”, so Meseg, „dadurch hatte ich mehr Zeit, mich der Kunst zu widmen.”
Studium ohne Abi dank ‘besonderer Begabung’
Wie er weitererzählt, habe er dann ausprobieren wollen, ob für ihn im Kunstbereich noch etwas möglich sei, oder ob er dieses Vorhaben besser zu den Akten legen sollte. Also bewirbt sich Meseg an der Alanus-Hochschule für Kunst und Gesellschaft, jener Universität, in der er früher noch die Scheiben geputzt hatte: „Ich konnte aber ja kein Abitur vorweisen, weil ich die Schule abgebrochen habe. Daher mussten die Professoren bei mir eine besondere künstlerische Begabung feststellen, damit ich doch zum Studium zugelassen werden konnte.”
Glücklicherweise taten das die Dozenten der Hochschule und ließen den damals 39-Jährigen an ihrer Universität studieren. Was sie sicherlich nicht bereuen: Mit seinen Installationen und Kunstwerken schaffte es Meseg nach nur drei Jahren auch in die internationale Presse, bald will er mit seinem Projekt „It is like it is” durch das europäische Ausland und die USA touren. Schließlich liest sich seine Geschichte selbst wie ein Paradebeispiel des amerikanischen Traums: Vom jungen Mann im Zelt zum erfolgreichen Unternehmer, Künstler und Preisträger. Wenn Dennis Josef Meseg davon erzählt, scheint er sich selbst über die Wirren des Schicksals zu amüsieren, die solche Lebensläufe schreiben. Aber so ist das eben: Et kütt wie et kütt, it is like it is.
Text und Fotos: Florian Eßer
Über den Autor
Florian Eßer ist in Köln geboren und aufgewachsen. Nach einem Studium der Germanistik arbeitet er nun als freier Journalist und Autor in seiner Heimatstadt. Besonders schätzt er die Vielfältigkeit Kölns, die über Karneval und lecker Kölsch hinausgeht – wenn man genauer hinsieht.